Ein kirchlicher Konfliktbereich, der bleibt

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Neben der Frage der Frauenordination stellt das in der Enzyklika "Humanae vitae" formulierte Verbot "künstlicher" Verhütungsmethoden einen Konfliktstoff dar, an dem die Kirche auf Dauer nicht vorbei kann. Es bleibt aber Hoffnung. Anmerkungen eines Zeitzeugen von 1968.

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Neben der Frage der Frauenordination stellt das in der Enzyklika "Humanae vitae" formulierte Verbot "künstlicher" Verhütungsmethoden einen Konfliktstoff dar, an dem die Kirche auf Dauer nicht vorbei kann. Es bleibt aber Hoffnung. Anmerkungen eines Zeitzeugen von 1968.

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In den bewegten Sommermonaten 1968 veröffentlichte Paul VI. die Enzyklika Humanae vitae (HV). Anders als Johannes XXIII., der seine Aufgabe darin gesehen hatte, dem Wirken des Geistes im Konzil uneingeschränkt Raum zu geben, berief sich Paul VI. gegenüber dem Konzil mehrfach auf seine Leitungskompetenz. HV und die Zölibatsenzyklika (1971) sind dafür die weitreichendsten Beispiele. Das Votum des Fachgremiums hatte anders gelautet, HV trägt die persönliche Handschrift des Bischofs von Rom: Kardinal König berichtete in den Folgejahren, Paul VI. habe auf die Frage nach dem Warum seiner Position mit dem Hinweis auf sein Gewissen geantwortet.

Gerne werden dem Dokument auch wertvolle Aussagen zum Eheverständnis auf der Basis des Konzils attestiert. Mit seinem Untertitel "Über die Geburtenregelung" legt sich das Dokument diesbezüglich strategisch selbst lahm. Es ist zu bezweifeln, ob die uneingeschränkte Fundierung auf einer Naturrechtsethik (vgl. HV 4) in den 1960er-Jahren noch tragfähig genug und über Zweifel erhaben war -zu einem Zeitpunkt, da in den Studierstuben längst über eine teleologische Ethik nachgedacht (und geschrieben) wurde. Auch ist es nicht überzeugend, wenn unter den "schwerwiegenden Folgen der Methoden der künstlichen Geburtenregelung" grundsätzliche Gegenargumente fehlen, dafür aber ("in erster Linie") die Gefahr der ehelichen Untreue und der Verlust der Achtung der Frau durch den Ehemann genannt werden (HV 17)

Der Akzent auf "Natur- " ist in dieser Frage eben nicht das Entscheidende. Wie zahlreiche Bischofskonferenzen hat auch die österreichische postwendend eine Auslegeordnung publiziert (Mariatroster Erklärung vom 22.9.1968). Darin wird als entscheidendes Kriterium die persönliche Verantwortung der Ehepartner aufgrund ihres Gewissensentscheids hervorgehoben. Die vehementen Versuche der auf Kardinal König folgenden Vorsitzenden der Bischofskonferenz (Johann Weber ausgenommen), ein Abrücken von dieser Position durchzusetzen, blieben erfreulicher Weise erfolglos.

Die Kontroverse ist bis heute geblieben. Gerne werden Institutionen genannt, die ihre Reflexion über Ehe auf der Grundlage von HV aufbauen (wie z. B. das Internationale Theologische Institut in Trumau, NÖ, mit Kardinal Christoph Schönborn als Großkanzler). Tatsache ist jedoch, dass die katholische Kirche mit der weitgehenden Nicht-Rezeption von HV ihre moralische, insbesondere ihre sexualethische Kompetenz eingebüßt hat. Vor allem viele Frauen, die nach wie vor als Mütter die maßgeblichen Tradentinnen des Glaubens in die nächste Generation bilden, sind zur Kirche auf Distanz gegangen. Auch in diesem großflächigen Dissens kommt der Glaubenssinn der Gläubigen (gemäß der Kirchenkonstitution des Konzils 12) zum Ausdruck. Mit HV und mit der Lehrverkündigung zur Frauenordination liegen innert kurzer Zeit zwei Konfliktbereiche auf dem Tisch, an denen die Kirche auf Dauer nicht vorbeisehen kann. Bischof Franziskus hat zumindest hinsichtlich des Eheverständnisses neue Aufbrüche skizziert (Dokument von Aparecida 451-463; Amoris laetitia 166-186 und 154 mit Teilzitat aus HV 13).

Es bleibt also noch Hoffnung.

| Der Autor ist em. Professor für Neues Testament an der Universität Luzern. 1970-73 war er Sekretär von Kardinal König |

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