Fehlende Kirchen-Grundrechte

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Zeitgleich mit den Beiträgen in den Medien zu den ersten 100 Tagen des neuen Papstes fiel mir ein über 30 Jahre altes Vorlesungsskriptum über "Kirchliches Verfassungsrecht" aus meiner Studienzeit in die Hände. Damals hat uns der Kirchenrechtsprofessor von Überlegungen zu Grundrechten in der Kirche, einer "Lex fundamentalis", berichtet. Heute liegt mir das Thema viel näher als zu Studienzeiten. Denn die Frage nach den Grundrechten in der Kirche ist brisanter denn je. Ist es um die "Lex fundamentalis"-Idee stiller geworden, weil deren konsequente Konkretisierung an zu viele Tabus gerührt hätte?

Zum Beispiel an die Frage nach einem Recht des "Volkes Gottes" auf Rechenschaft seitens derer, die es leiten. Rechenschaft über die Erfüllung von Aufgaben und Wahrnehmung von Ämtern, die ja als "Dienst" verstanden werden. Rechenschaft über Entscheidungen und über die Pläne zur Zukunft. Es geht dabei nicht um "unspirituelles Demokratisierungsgeschwätz", sondern um Respekt vor der Stellung der Getauften, die eben nicht bloß "Kunden" sind - und selbst die haben Reklamationsrechte.

Rechenschaft hätte mit Respekt vor den Charismen der Getauften zu tun, mit denen diese zu beurteilen vermögen, was ihnen vorgelegt wird. Nicht zuletzt auch vor ihrem in den Kirchendokumenten immer wieder betonten "weltlichen Sachverstand". Stattdessen aber wird seit hundert Tagen auf einen Mann geschaut und gewartet und gemutmaßt, was er wohl zu tun oder zu lassen, zu sagen oder unerwähnt zu lassen gedenkt.

Statt einer Rechenschaft der Papstwähler über ihre Überlegungen und Motive bei der Wahl hören wir deren Erlebnisse und Zukunftsvermutungen. Es war schon ein seltsames Erlebnis, in Tagen wie diesen in einem über 30 Jahre alten Skriptum über eine "Lex fundamentalis" für die Kirche zu blättern.

Der Autor ist Pfarrer in Probstdorf und Universitätsseelsorger.

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