Frei und unbekümmert ...

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Die Wiener Israelitische Kultusgemeinde gedachte im Burgtheater ihres 150jährigen Bestehens.

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Die Wiener Israelitische Kultusgemeinde gedachte im Burgtheater ihres 150jährigen Bestehens.

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Andere feiern die Verbriefung des Rechts auf Religionsausübung. Oder die schriftliche Anerkennung ihrer Glaubensinstitution. Es ist bezeichnend, daß, wenn die Jüdische Gemeinde Wiens ihren 150er begeht, dies an sehr unspektakulärem Anlaß aufzuhängen ist. Nicht am Toleranzpatent Josef II. oder ähnlichem. Sondern: Im April 1849 suchten führende Juden Wiens den damals 19jährigen Kaiser Franz Joseph auf, und dieser titulierte die Honoratioren als "Vertreter der Israelitischen Gemeinde".

Die (kurze) Geschichte dieser Gemeinde ist nicht rosig, führte durch den alltäglichen Antisemitismus in die Schoa - und daraus hinein ins Heute. Von Victor Adler zu Hilde Spiel, von Ludwig Wittgenstein zu Alfred Polgar, von Fanny Arnstein zu Gustav Mahler, von Elias Canetti zu Lotte Lenya, von Lise Meitner zu Robert Stolz, von Franz Kafka zu Arnold Schönberg: Übergroß bedeutend der Beitrag zum Geistesleben Wiens, wie Mahnbilder blickten 91 Porträts berühmter Wiener Juden von der Burgtheater-Bühne, wo die Kultusgemeinde ihr Fest zum 150er beging.

Ariel Muzicant, Präsident der Gemeinde, wies auf diese Geschichte hin und auf die Gefahr, weil die Gemeinde heute schrumpft: Er forderte daher auf, die Einwanderungspolitik in Österreich zu ändern - im Sinne einer positiven Zukunft auch seiner Gemeinde.

Wiens Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg erinnerte an das Jahr 1848: Damals, am 17. März, wurden die Wiener Opfer der Märzrevolution begraben, von katholischen, lutherischen, reformierten Geistlichen gemeinsam - und Oberrabbiner Isaak Noah Mannheimer. Mannheimer sprach am Grab, den Christen zugewandt: "Ihr habt gewollt, daß die toten Juden da mit euch ruhen in einer Erde. Vergönnt nun aber auch denen, die den gleichen Kampf gekämpft und den schwereren, daß sie mit euch leben auf einer Erde, frei und unbekümmert wie ihr ..."

Dieser prophetische Wunsch wurde bald später desavouiert und ist bis heute nur eingeschränkt erfüllt - auch wenn die jüdische Gemeinde mit Recht Grund zum Feiern hat.

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