Geschichte(n) über Gott

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Zwei Bücher zum "Thema" Gott: Bei Walter Wippersberg ist Gott ein Abgelehnter, aber merkwürdig lebendig, bei Anton Grabner-Haider hingegen leidet er an steriler Zustimmung.

Während Religion seit einiger Zeit anerkannter Diskussionsstoff geworden ist, zählt es immer noch zu den Peinlichkeiten, über Gott zu reden. Zwei Bücher tun es trotzdem. Walter Wippersberg, Autor, Filmemacher und Professor an der Wiener Filmakademie, weiß Einiges über den lieben Gott zu erzählen, und Anton Grabner-Haider, Theo-loge und Philosoph in Graz, entwirft gar für Gott eine Lebensgeschichte.

"Lebensgeschichte" verkürzt

Grabner-Haider holt weit aus, beginnt beim Neandertaler und endet bei der Quantenphysik. Im Sauseschritt werden Gottesvorstellungen aus Indien, China und Afrika abgehandelt, knapp und trocken wie in einem religionswissenschaftlichen Lexikon. Zu Ende des Buches sind einige Kapitel auf den Holocaust, auf den Gott der Muslime und das erstarrte Gottesbild der Kirchen aufgewendet. Dazwischen hat der Monotheismus Platz, der, in einer unkritischen Rezeption Jan Assmanns, aus Ägypten kommt. Jesus, "der Ekstatiker", hat ein Reich Gottes verkündet, das - laut Grabner-Haider - "vor allem ein ethisches und moralisches Lebensprogramm" darstellt. Das Alte Testament und Paulus (man kennt das Klischee) sind für den strengen Gott zuständig und der Philosoph Philo entpuppt sich bei Grabner-Haider als "Wegbereiter der christlichen Gotteslehre". Der johanneische Logos ist das "Weltgesetz" und für die Theologie des Mittelalters, Reformation inklusive, reichen zweieinhalb Seiten.

Ein erstaunlicher Text. Die Lebensgeschichte dieses Gottes ist um die entscheidende Dimen-sion verkürzt, die auch eine distanzierte Religionswissenschaft nicht unterschlagen dürfte: Nichts findet sich über Auferstehung, ohne die (nach Paulus) der christliche Glaube sinnlos ist, nichts über die Letzten Dinge.

Sprache der Leidenschaft

Da liest sich Wippersberg ganz anders und aufrichtiger. Sein Buch ist umfangreicher, beschränkt sich aber auf den Gott der Bibel. Wippersberg ist kein Theologe, aber er schreibt aus jahrzehntelanger Auseinandersetzung und scheut sich nicht, das Ergebnis voranzustellen: Der Gott der gläubigen Juden und Christen ist für ihn nichts weiter als eine literarische Figur, ebenso wirksam und ebenso fiktiv wie andere Gestalten der Poesie.

Unter dieser Prämisse stellt er dar, was die Bibel über Gott sagt; aber er missversteht die Texte, weil diese unter einer ganz anderen Prämisse, nämlich im Glauben an einen Gott, geschrieben wurden. Das Missverständnis ist literarisch ergiebig: Die widersprüchlichen Gotteserfahrungen der biblischen Schriftsteller schreibt Wippersberg dem widersprüchlichen Charakter Gottes selbst zu; was Menschen in mühsamen Metaphern über Gott zu sagen suchen, dichtet Wippersberg Gott an. Daraus entstehen, verstreut im Buch, zehn Kapitel, in denen er Gott sprechen lässt, wie dieser sich über sein Schicksal wundert, sein zunehmendes Alter beklagt und schließlich, nach dem Holocaust, den er nicht verhindert hat, abzutreten bereit ist: in jene Jerusalemer Klinik, in der religiös Verrückte verwahrt werden.

Diese zehn Kapitel sind von hoher literarischer Qualität und wären es wert, als eigenes Buch zusammengefasst zu werden. Sie sollten von einem kurzen Text gerahmt werden, den Wippersberg zweimal ins Buch stellt: Im Ghetto von Wilna verurteilen die Rabbiner Gott, der ihnen nicht beigestanden ist; als aber der Morgen graut, sehen sie es an der Zeit, das Morgengebet zu sprechen.

Da ist Walter Wippersbergs Gott als ein Abgelehnter merkwürdig lebendig, während derjenige des Anton Grabner-Haider an steriler Zustimmung leidet. Es scheint, dass eine Sprache der Leidenschaft dem Thema zugute kommt, auch wenn sie sich der Negation verschreibt.

Einiges über den lieben Gott

Wie er erfunden wurde - und wohin das geführt hat

Von Walter Wippersberg

Otto Müller Verlag, Salzburg 2006

328 Seiten, geb., € 22,-

Gott. Eine Lebensgeschichte

Von Anton Grabner-Haider.

Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern 2006. 206 Seiten, geb., € 20,50

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