Jetzt auch amtlich "Frau Pfarrer"

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In der Evangelischen Kirche A.B. gibt es seit kurzem die Möglichkeit, engagierte Mitarbeiter ehrenamtlich in das geistliche Amt des Pfarrers zu ordinieren.

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In der Evangelischen Kirche A.B. gibt es seit kurzem die Möglichkeit, engagierte Mitarbeiter ehrenamtlich in das geistliche Amt des Pfarrers zu ordinieren.

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Frisch renoviert präsentiert sich die Justizanstalt Schwarzau bei Neunkirchen, die einst einmal ein Schloß war. Ein würdiger Rahmen für ein - bisher noch - seltenes Ereignis: Die "Ordination ins Ehrenamt".

"Es heißt im Prinzip nur, daß der Pfarrer nichts bezahlt bekommt", erläutert Superintendent Paul Weiland diese neue Form der Ordination in der Evangelischen Kirche A.B. Sie ermöglicht seit kurzem akademisch ausgebildeten Theologen, die sich in der Verkündigung und in der Seelsorge über mehrere Jahre bewährt haben, die Ordination ins Ehrenamt. Damit gewährt sie bewährten Mitarbeitern, die nicht in einem Anstellungsverhältnis zur Kirche stehen, die ordnungsgemäße und von der Kirche berufene und beauftragte geistliche Mitarbeit als Pfarrer.

"Anlaß" für die Feier in der Justizanstalt Schwarzau ist Traudl Abel. Seit 1991 arbeitet sie dort als Seelsorgerin für die inhaftierten Frauen und Mädchen. Der Grund, warum es die Wienerin an den Fuß des Wechsels verschlagen hat, liegt in ihrem Wochenendhaus. "Da bin ich jeden Tag an Schwarzau vorbeigefahren, und da ich immer offen bin für Aufgaben, habe ich mir gedacht, warum gehst du nicht hinein?", erläutert Abel. Seit 1991 - nach ihrer Pensionierung als Gymnasialprofessorin für Mathematik - ist jeder Donnerstag den Insassen von Schwarzau gewidmet.

Billige Pfarrer?

"Die Ordination ins Ehrenamt bedeutet nicht, daß wir jeden nehmen", erklärt Superintendent Weiland: "Im Gegenteil!" Zu den Voraussetzungen gehört eine seit Jahren bewährte ehrenamtliche Praxis, wie eben Abels Arbeit in Schwarzau. Vor allem aber muß eine - dem Theologiestudium ähnliche - Ausbildung nachgewiesen werden.

Der Nachdenkprozeß innerhalb der Evangelischen Kirche A.B. über die Ordination ins Ehrenamt hat einige Diskussionen hervorgerufen. Da waren die Bedenken der jungen Theologen, die darin eine Art "billige Konkurrenz" sahen. Oder die Sorge darum, mit diesem Ehrenamt Pfarren zu besetzen, die aus finanziellen Gründen nicht besetzt werden können.

Im Herbst 1998 wurde auf der Synode der Beschluss gefaßt, diese Form der Ordination einzuführen. "Die Bedenken dagegen haben wir mit genauen Kriterien wie der fachlichen Qualifikation und der jahrelangen Praxis zerstreut", erklärt Weiland, "Es soll den jungen Leuten nichts weggenommen werden."

Nicht ordiniert werden kann, wer die Pfarrerprüfung nicht geschafft hat: "Die Ordination ins Ehrenamt ist kein Ausweg. Wer nicht angestellt werden kann, ist auch für das Ehrenamt nicht geeignet", so der Superintendent. Zwar will Weiland nicht leugnen, daß die evangelische Kirche längst nicht mehr alle jungen Theologen anstellen kann, daß die ehrenamtliche Ordination dafür jedoch kein Ersatz ist. Denn ordiniert werden kann nur, wer eine jahrelange Erfahrung in der Seelsorge nachweisen kann.

Neben der Erfüllung der Kriterien Ausbildung, Erfahrung und geistliche Qualitäten gilt es auch noch eine ausführliche Überprüfung der Kirchenleitung zu bestehen. Ordiniert werden kann nur der, der von anderen der Landeskirche vorgeschlagen wird. Nach einer Art Hearing gibt der Oberkirchenrat seine Zustimmung. Drei haben dieses Verfahren bisher erfolgreich hinter sich gebracht, drei Frauen aus Kärnten und Niederösterreich.

"Für mich ist es nicht unbedingt der Beginn eines neuen Lebensabschnitts", meint die 70jährige Traudl Abel, die ihr Theologiestudium aus Interesse neben Mann, Kindern und Beruf hinter sich gebracht hat, "aber ich habe jetzt einfach neben den Pflichten auch die Rechte eines Pfarrers." Und dazu zählt sie vor allem das Beichtgeheimnis. Obwohl sie sich noch nie darauf berufen mußte, "ist es eine Absicherung für die Leute, die mir anvertraut sind." Vor allem aber muß sie nicht mehr um Erlaubnis fragen, wenn sie jemanden trauen oder taufen soll. Ihre Predigt, öffentliche Verkündigung und Sakramentenverwaltung sind jetzt von der Kirche offiziell bestätigt.

"Denn ich habe mich schon in einem luftleeren Raum befunden", erzählt Abel rückblickend. Obwohl sie von ihren Schützlingen in der Strafanstalt Schwarzau bald als "Frau Pfarrer" betitelt wurde, ist die offizielle Anerkennung doch eine Absicherung ihrer Arbeit. Das einzige Unterscheidungskriterium zwischen ehrenamtlichen und "normalen" Pfarrer ist das Anstellungsverhältnis. Die übrigen Rechte und Pflichten bleiben gleich. Aber Abel wird nie einer Gemeinde vorstehen: "Dafür bin ich einfach schon zu alt." Denn immerhin muß sich ihr Enkel jetzt daran gewöhnen, daß er eine Pfarrerin zur Großmutter hat.

Grüße vom Weihbischof Für die Evangelische Kirche A.B. stellt diese Ordination kein Problem im Ökumenischen Dialog dar. Von Seiten der katholischen Kirche oder der Orthodoxie gibt es keine offizielle Reaktion. Zur Ordination von Traudl Abel sandte der für die Region zuständige Wiener Weihbischof Alois Schwarz herzliche Grüße und Gottes Segen. "Wenn es ein Problem gäbe, dann ist es sicher nicht das Ehrenamt, sondern die Ordination von Frauen an sich", so Weiland.

Er selbst hat Traudl Abel für das Ehrenamt vorgeschlagen. "Sie erfüllt alle Voraussetzungen. Es ist kein Wunder, daß bisher nur Frauen ordiniert wurden. Sie haben ihr Theologiestudium zumeist zu Gunsten der Familie zurückgesteckt, waren aber trotzdem immer seelsorgerisch tätig." Das einzige, das den niederösterreichischen Superintendenten noch immer Staunen macht, ist, daß sich noch nicht mehr gemeldet haben: "Ich bin überrascht, daß es so wenige sind."

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