Katholische "Familienkultur"

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Wie eine Alkoholikerfamilie benehme sich die katholische Kirche hierzulande, so schreibt der Chefarzt der Psychatrie, Manfred Lütz in seinem Kirchenbestseller "Der blockierte Riese". Mit Kölner Witz hat er seine Kirchenanalyse unlängst auch in Wien einem erheitert-nachdenklichen Publikum zum Besten gegeben. Alkoholikerfamilien leben in einer Art Problemtrance: Spaltungen, Depressionen, Abwertungen, Überverantwortlichkeit, Rollendiffusionen.

Es gibt nur gegenseitige Beschuldigungen und unnütze Rettungsversuche. Vor allem werde nur am Problem gearbeitet, ohne diesem wirklich zu entrinnen. Und je mehr das Problem die Kräfte bindet, umso schlimmer wird es.

Lütz erzählt von modernen Therapiemethoden. Diese stürzen sich nicht auf die Krankheiten. Vielmehr werden Zeiten im Leben des Patienten aufgespürt, zu denen es diesem gut ging. Die guten Lebensphasen werden ausgebaut mit dem Ziel, schrittweise die eingeengte Wahrnehmung zu überwinden und ein neues Lebensgefühl zu prägen.

Zumal die katholische Kirche könnte sich auf diesen Weg machen. Welche Stärken hat sie? Wo lebt sie gut? Hilfreich für die "Familienkultur" wäre laut Lütz auch ein Rollentausch: die Kirchenmitglieder dürften nur Stärken der "Gegner" aufspüren und zur Übung nur Gutes über diese erzählen. Die Progressiven könnten an den Konservativen erkennen, wie sehr diesen daran liegt, daß Kirche in der Spur des Evangeliums bleibt. Die Konservativen könnten an den Progressiven entdecken, wie diese am Schicksal ihrer Zeitgenossen mitleiden. Beide wären einander keine Bedrohung mehr. Die Kirche stünde im Land anders da.

Solches Vorgehen beseitigt nicht die Probleme, Strukturen werden auf diese Weise nicht gleich verändert. Aber man kann sich leichter an eine gemeinsame Erneuerung der kirchlichen Strukturen machen. Der bisher meist beschrittene Weg sei aber, so Lütz, eine "sorgfältig geplante Frustration" - nämlich die Erledigung solcher Reformthemen zum Kriterium von Kirchenlust und Kirchenengagement zu machen, die in der Lebenszeit der Reformer mit Sicherheit keinen Erfolg erwarten lassen.

Die Church- Watchers sind eine Initiative des Instituts für Pastoraltheologie in Wien. E-mails mit Diskussionsbeiträgen an: churchwatchers.pastoraltheologie@univie.ac.at

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