Kinder sind Künstler im Brückenbauen

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Während in Talkshows des deutschsprachigen Privatfernsehens Familienzusammenführung quotensteigernd und tränenreich inszeniert wird, ist Österreich seit Jahren bemüht, Familien zu trennen oder genauer gesagt getrennt zu halten. Ein Stück Papier macht den Unterschied, nämlich die Staatsbürgerschaft.

Dabei ist die rechtliche Lage klar: "Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass ein Kind nicht gegen den Willen seiner Eltern von diesen getrennt wird." So lautet der Artikel 9 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes. Und Artikel 10 setzt noch nach: Entsprechend dieser Verpflichtung "werden von einem Kind oder seinen Eltern zwecks Familienzusammenführung gestellte Anträge auf Einreise in einen Vertragsstaat [...] von den Vertragsstaaten wohlwollend, human und beschleunigt bearbeitet."

Österreich hat als einziges europäisches Land eine eigene Quote für Familienzusammenführung und produziert damit einen Rückstau von 12.000 Anträgen, die zu bewältigen es sich außerstande sieht. Wenn Kinder zwei bis fünf Jahre auf die Familienzusammenführung warten müssen, ist das "wohlwollend, human und beschleunigt"?

Die Europäische Menschenrechtskonvention kennt ein Recht auf Familie. Wie soll angesichts dessen die politische Praxis von Österreich beurteilt werden, bei der Anträge auf Familienzusammenführung im Falle Kärnten auch mit über zehn Jahren Wartezeit rechnen dürfen? Und das in einer Zeit, in der zu viele Familien zerbrechen.

Je später die Familie nachkommt, umso fremder sind einander ihre Angehörigen geworden, umso größer sind die Spannungen einer neuen Situation, umso größer sind auch die Integrationsprobleme aller Beteiligten. Gemeinsam könnten sie einander helfen - und besonders Kinder sind Künstler im Bau von Brücken und im Abbau von Barrieren zueinander. Innerhalb und außerhalb einer Familie.

Martin Jäggle ist Professor an der Religions-pädagogischen Akademie Wien und Autor von Religionsbüchern. Zusätzlich engagiert er sich in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit.

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