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Kirche in Österreich?

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Der Verlag Herold hat in dankenswerter Weise die Aufgabe unternommen, einem Plan, der schon auf dem österreichischen Katholikentag 1962 geboren wurde, zur Verwirklichung zu verhelfen. Es wurde damals beschlossen, den Weg des österreichischen Katholizismus . vom Jahre 1918, dem Beginn der Ersten Republik, bis auf unsere Tage herauf zu zeichnen. Ein solches Vorhaben ist deshalb von Bedeutung, weil wir heute an Hand von Quellen und lebenden Zeugen noch in der Lage sind, die zeitgeschichtlichen Ereignisse genau festzuhalten. Auch aus einem anderen Grunde aber ist eine quellenmäßige Darstellung des österreichischen Katholizismus in diesem Zeitraum von Bedeutung. Es sind ja die Jahrzehnte ganz großer gesellschaftlicher, politischer, aber auch religiöser- Umwälzungen. Welche in diesen so entscheidungsvollen Jahren die tragenden und formenden Kräfte des österreichischen Katholizismus waren, wo Ursachen des Versagens, aber auch Ursachen des Bestehens von Gefahren und des Erfassens der in die Zukunft weisenden Aufgaben gelegen waren, ist auch für die Zukunft von nicht geringem Interesse.

Im ersten Band dieses Werkes wird der geschichtliche Werdegang gezeigt; die Geschichte von 1938 bis 1945 allerdings scheint uns mangelhaft mit einem bloßen Hinweis auf tausende Opfer unter Priestern und Laien. Hier wären doch konkretere Angaben am Platz gewesen. Die kurze Darstellung erweckt beinahe den Eindruck, als wollte die österreichische Kirche selbst ihre Märtyrer aus dieser Zeit totschweigen .Und als würden diese Leistungen für den österreichischen Katholizismus nicht genügend gewertet werden.

Der erst kürzlich erschienene zweite Band ist jedoch eine gewisse Enttäuschung. Geplant wurde in diesem Band scheinbar eine Darstellung der katholischen Laienorga,-nisationen. Ein derartiges Unternehmenist ohne Zweifel nicht leicht. Schon die Bestandsaufnahme erweist sich als äußerst schwierig, noch mehr aber ihre Bewertung. Da es nicht möglich ist, allen Betroffenen das Anliegen klarzulegen, kann man von vornherein nicht damit rechnen, ein genügendes Material zusammenzubringen. Und wäre dies gelungen, bestünde noch weiterhin die Schwierigkeit, dieses Material nun wirklich allseitig auszuwerten. Dazu wäre ja eine echte Bewertung der innerlich-religiösen Potenz sowie auch des äußeren Einflusses der einzelnen Laiengruppen oder Organisationen auf das Leben der Kirche notwendig. Es muß anerkannt werden, daß sich die Redaktoren dieses zweiten Bandes vor dieser fast unlösbaren Schwierigkeit befunden haben. Daher nimmt es gar nicht wunder, daß dieser Band nicht in der gleichen Weise befriedigen kann wie der erste. Doch scheinen uns in der vorliegenden Arbeit die Größenverhältnisse von den Redaktoren selbst verzeichnet. Die Darstellungsweise hat ihren Grund natürlich in der interessierten Anteilnahme der Befragten. Der Redaktion aber obliegt die Bewertung der gesammelten Daten. Und diese scheint uns nicht richtig gelungen zu sein.

Verzeichnete Größenverhältnisse?

Schon ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis zeigt dies. Wenn der katholischen Jugendbewegung „Neuland“ 30 Seiten gewidmet werden, während anderen Organisationen nur ein Zehntel davon gewidmet wird, so kann man gewiß nicht sagen, es liege allein bei den Autoren, sondern man muß sich fragen, warum die Redaktion eine solche Darstellungsweise gewählt hat. Und wenn im letzten Kapitel „Organisationen der Gegenwart“ auf 50 Seiten alle kirchlichen Institutionen und Organisationen in Kiurzdarstellungen aufgezählt werden, ist auch da ein Mißverhältnis zu den übrigen Kapiteln.

Das Bild, das man aus diesem vorliegenden Band vom österreichischen Katholizismus gewinnen kann, ist nicht nur ein unvollständiges, sondern auch ein sehr einseitiges. Und diese Einseitigkeit entsteht eben aus der mehr als unvollkommenen Darstellung jener religiösen Kräfte, die außerhalb der sehr breit dargestellten Katholischen Aktion im österreichischen Katholizismus auch noch wirksam sind. Die Ursache dafür liegt vielleicht darin, daß sich seit dem Jahre 1918 eine erfreuliche Entwicklung in den seelsorglichen Planungen der Diözesen und des Weltklerus vollzogen hat, daß aber dabei die Orden und ihr Beitrag zur gesamten Seelsorge zu kurz gekommen sind. Verstärkt wurde diese Entwicklung überdies dadurch, daß gerade die Tätigkeit der Orden in der nationalsozialistischen Zeit fast völlig unterdrückt wurde, während sich die Seelsorge in den Diözesen und Pfarreien noch entfalten konnte. Die Orden haben also in dieser Zeit ohne Zweifel eine Schwächung erfahren, die letztlich und endlich auch eine Kraftminderung des österreichischen Katholizismus bedeutet. Ihr Beitrag zu den Leistungen des österreichischen Katholizismus wurde mehr und mehr verschwiegen.

Es ist daher kaum zu verwundern, daß auch die spirituellen Kräfte der Orden, die in den Laien wirksam waren, zu wenig gesehen wurden.

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