"Liberale" Sonntagsöffnung?

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Die Zeitung mit dem "großen Horizont" zeigt sich seit längerem besorgt bezüglich eines ganz gefährlichen Hemmnisses für "Liberalisierung": des Sonntags. So unlängst in einem Leitartikel von Doris Kraus (Die Presse, 19. August: "Einkaufen am Sonntag? Bitte um die Qual der Wahl!"). Aber es gibt auch Beruhigung für die Kirche: Eher klein schätzt Kraus die Menge jener ein, die bei der Wahl zwischen Einkauf und Kirche in einen Gewissenskonflikt geraten würden. "Und was spricht dagegen, am Vormittag in die Kirche und davor zum Bäcker oder am Nachmittag ins Elektrofachgeschäft zu gehen?"

So weit bin ich auch als Pfarrer in der Realitätserfassung schon fortgeschritten: Mittlerweile kommen überwiegend die, die wirklich kommen wollen. Durchaus auch vor oder nach einem Einkauf. Begriffsstutzig bin ich vielleicht eher in der Frage, was daran so besonders "liberal" sein soll, auch am Sonntag flächendeckend kaufen und verkaufen zu können. Möglichst pausenlos also. Die Pause scheint der unangenehmste Stachel im Fleisch der Marktgesellschaft zu sein. Diese gefährliche Distanz zwischen dem Erwachen eines tatsächlichen (oder suggerierten) Kaufbedürfnisses und dem tatsächlichen Einkauf.

Und da dieser komische Sonntag in der bisherigen Form als eines der letzten, wenn auch ziemlich verwitterten Wahrzeichen dafür, dass sich nicht alles zwischen Produzieren, Verkaufen, Kaufen und Geld - dafür - Verdienen im Kreis dreht. Das hat doch was, oder? Frau Kraus schreibt, sie wolle nicht bevormundet werden. Ich auch nicht. Auch nicht von den Marktgesellschaftsstrategen. "Bisher konnte ich meinem Kind wenigstens sagen, heute ist zu", seufzte unlängst eine Mutti in einer Diskussion. Und: Religion sei Unterbrechung, hat Johann Baptist Metz einmal formuliert. Zu kleinhorizontig wahrscheinlich.

Der Autor ist Pfarrer in Probstdorf und Universitätsseelsorger.

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