Werbung
Werbung
Werbung

Das war erstaunlich, dass die Evangelische Kirche in Deutschland eine Handreichung zum Thema "Manieren" erscheinen ließ. Sind das sommerliche Allotria oder sind die guten Sitten wirklich ein ernstzunehmendes Anliegen der Kirche? Herausgefordert durch den Bestseller von Asfa-Wossen Asserate, für den der Autor den Adalbert-von-Chamisso Preis 2004 erhielt, bedachten protestantische Theologen die biblischen Wurzeln des guten Benehmens und würdigten es als unerlässliches Fundament für eine "Kultur des Alltags".

In der reformatorischen Rechtfertigungslehre steht ein im wahrsten Sinne zuvorkommender Gott im Mittelpunkt. Von daher verbietet sich das Missverständnis guter Manieren im Sinne einer Dressur von bloß äußerlichem Wohlverhalten. Gegen solche leider weit verbreiteten Unsitten revoltiert vor allem jugendlicher Protest immer wieder zurecht.

Aus der Rechtfertigung allein aus Gnaden lässt sich nun weiter ableiten, dass eine der Wurzeln guter Manieren in der Wertschätzung anderer liegt, in einer Toleranz, zu der nur fähig ist, wer aus einer reifen eigenen Identität lebt. Es bedeutet, dem anderen ebenso zuvorkommend zu begegnen, wie Gott es tut.

Nun hat Markus Rogan für Österreich nicht nur einen doppelten Medaillengewinn gebracht, sondern auch ein überzeugendes Beispiel eines solchen zuvorkommenden Verhaltens. Freundschaft ist ihm mehr wert als Gold. Die überschwängliche Reaktion der Öffentlichkeit zeigt, dass auf diesem Gebiet offenkundig Nachholbedarf besteht. Freilich würde mich interessieren, ob dieses sympathische Verhalten des Schwimmstars irgendwie auch religiös motiviert ist. Aber ich muss mir diese Frage verkneifen, denn fremde Leute zu fragen: "Glauben Sie an Gott?" gilt nach Asfa-Wossen Asserate für ganz unmanierlich.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung