Schüssels Konversions-Sager

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Die kosmische Hintergrundstrahlung konnte erst 1965 entdeckt werden, als die Messgeräte genau genug waren, um den minimalen Unterschied zum absoluten Nullpunkt auszumachen. Und doch gilt sie heute als der stärkste Beweis für den Urknall, das Ereignis, mit dem alles vor unvorstellbar langer Zeit begonnen hat.

Gibt es so etwas wie eine Hintergrundstrahlung auch in Bezug auf geschichtliche Ereignisse? Friedrich Heer war dieser Meinung, und der Heidelberger Ägyptologe Jan Assmann scheint dasselbe im Blick zu haben, wenn er von der Langlebigkeit des "kulturellen Gedächtnisses" schreibt. Ich vermute, hierzulande wurde vor kurzem ein Beweis für diese Theorie geliefert. In der Diskussion um die Seligsprechung von Kaiser Karl und die Beteiligung österreichischer Politiker und Politikerinnen an den Feierlichkeiten in Rom hat sich der Kanzler selbst zu Wort gemeldet. In der Kleinen Zeitung vom 2. Oktober findet sich ein Interview mit ihm, in dem er für ein "entspannteres Verhältnis" des Landes zum Hause Habsburg plädiert. Darin findet sich der erstaunliche Satz (Seite 7): "Es hätte auch den anderen Parteien nicht geschadet, sich einzubringen; das heißt ja noch lange nicht, dass man konvertieren oder alles an den Habsburgern super finden muss."

Vielleicht kommt es manchen als kleinliche Wortklauberei vor, aber mich reißt es, wenn ein österreichischer Regierungschef aus Sympathie für einen Habsburger-Kaiser das Wort "konvertieren" in den Mund nimmt. Es kommt mir vor wie ein Aufleuchten jener Hintergrundstrahlung, die an die lange Geschichte von Transmigration und Vertreibung, von Glaubenskommissionen und Bücherverbrennungen erinnert. Oder sollte bloß die Konversion der Oppositionsparteien zur Kanzlerpartei und deren Standpunkt zur Seligsprechung gemeint gewesen sein?

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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