Selbstdenker und Weltveränderer

Werbung
Werbung
Werbung

Geboren in Wien als Sohn eines katholischen Vaters kroatischer Herkunft und einer evangelisch getauften Jüdin, musste Ivan Illich 1944 Wien verlassen und maturierte in Florenz. Er studierte zuerst Chemie und Philosophie, dann Theologie in Rom. 1950 promovierte er und wurde zum Priester geweiht. Mit 25 Jahren wurde der akademische Jungstar, der acht Sprachen beherrschte, nach Harvard und Princeton eingeladen, gab aber alle akademischen Pläne auf, um in Manhattan als Armenpriester mit den Puertoricanern zu leben. Nach einigen Jahren wurde er Vizerektor der katholischen Universität Santa Maria in Puerto Rico, 1960 gründete er seine eigene "Denkerei" in Cuernavaca (Mexiko).

Ein Verfahren der Glaubenskongregation quittierte er damit, dass er geheime Dokumente des Verfahrens in die Öffentlichkeit schmuggelte und die Vatikanbehörde bloßstellte. In der Folge legte er sein Priesteramt nieder.

In den siebziger Jahren wurde er zu einem der meistbeachteten Kritiker der Selbstverständlichkeiten der Moderne: Schule, Fortschritt, Medizin und Expertensysteme. Seine Bücher "Schulen helfen nicht" und "Nemesis der Medizin" wurden zu Bestsellern. Die Schule sei zu einer der mächtigsten Fesseln menschlicher Intelligenz und die Medizin zur Hauptgefahr der Gesundheit geworden, so Illichs These. Entwicklungshilfe war für ihn nur der erfolgreiche Versuch, "aus einfachen Leuten Bedürftige zu machen".

In den letzten zehn Jahren war Bremen der Lebensmittelpunkt von Ivan Illich. Bis zuletzt hielt er dort Vorlesungen über Askese - darunter verstand er nicht das "Nein danke zu Wein, Weib, Gesang und Wohlgerüchen", sondern ein "Danke, nein zu den Selbstverständlichkeiten, auf denen unsere Gesellschaft aufgebaut ist". Nach 16 Jahren und einer verweigerten Operation erlag Illich am 2. Dezember seinem Krebsleiden. CH

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung