Stammtisch - einmal anders

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Beim Essen nach einem Begräbnis kommt das Gespräch auf Arbeitsplätze. Meine Tischnachbarin erzählt von ihrer Arbeit als Raumpflegerin auf einer Grenzstation im Norden Niederösterreichs. Sie sei froh, dass sie den Job habe. Aber manchmal sei es schon schwierig. Dann nämlich, wenn wieder einmal eine Gruppe von Asylwerbern für einige Tage einquartiert werden werden müsse. Da schaue es dann ziemlich aus.

Jetzt wird es wieder in der üblichen Tonart dahingehen, male ich mir schon den weiteren Gesprächsverlauf aus. Aber, schildert die Frau weiter, was ihr besonders zu schaffen mache, das sei der Anblick dieser Menschen. Ganze Familien manchmal, mit nichts als ihrer Kleidung - und die oft durchnässt und kaputt. Da renne sie dann heim um Kleidung für diese Menschen. Man sei ja schließlich Christ. Die Runde nickt betreten. Vielleicht hatte jemand das Gespräch in einem ganz anderen Ton weiterführen wollen, und es hat ihm jetzt doch die Rede verschlagen. Man sei ja schließlich Christ, hat die Frau gesagt. Und wie man sieht, ist das oft gar nicht so leicht.

Das dürften mittlerweile auch die sich "christlichsozial" oder "christdemokratisch" nennenden Politikerinnen und Politiker gemerkt haben. Wenn der Begriff wirklich etwas bedeutet, geht das übers Per-Du-Sein mit Bischöfen und Äbten und den fix eingeplanten Gottesdienstbesuch hinaus. Da heißt es zuweilen bereit sein, sich anzulegen. Mit neuesten Politik- und Wirtschaftsmoden, mit so mancher Zeitung, mit den Stammtischen, mit den eigenen Spin-Doktoren. Das mussten schon die Sozialdemokraten beim Regieren bemerken und überließen das "Hoch" auf die "internationale Solidarität" lieber den Festchören bei Feierstunden. Die Raumpflegerin aus dem Weinviertel hat mit ihrem Gesprächsbeitrag mehr Politik transportiert als ganze Parteitage.

Der Autor ist Pfarrer in Probstdorf und Universitätsseelsorger in Wien.

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