Über das Selbstverständliche

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Müssen Christen aus aktuellem Anlaß Resolutionen über Fremdenhaß und Rassismus verfassen und veröffentlichen? Müssen Christen darauf hinweisen, daß Jesus als Jude geboren wurde, und deshalb Antisemitismus die frohe Botschaft vergiftet? Ist es wirklich notwendig zu sagen, daß nicht nur die in der Mitte der Gesellschaft lebenden, sondern auch die an den Rand gedrängten Menschen unsere Schwestern und Brüder sind?

Die Synoden der evangelischen Kirchen, die letzte Woche in Innsbruck tagten, fanden, daß dies notwendig sei. Die Gründe dafür sind hinreichend bekannt. Aber eigentlich ist es für Christen wirklich selbstverständlich den Menschen als Gottes Ebenbild zu verstehen, und deswegen menschenwürdig miteinander umzugehen, ganz egal, ob diejenigen, mit denen ich es zu tun habe, Österreicherin oder Jude, Mann oder Frau, Sandler oder Generaldirektorin sind. Die Aussage: Ich achte jeden Menschen gleich, ist in meinen Augen so, als ob man sagen würde; heute ist der Himmel blau - vorausgesetzt er ist es wirklich, oder heute ist das Gras grün. Niemand käme auf die Idee, Sonnenschein in Form einer Resolution der Öffentlichkeit bekannt zu geben.

Offensichtlich leben wir in einer Gesellschaft, in der christliche Grundregeln, christliches Gedankengut nicht mehr selbstverständlich vorausgesetzt werden können. Offensichtlich ist deswegen eine christliche Alphabetisierung notwendig auch in Form von Resolutionen. Unter diesem Stichwort würde ich dann allerdings auch gerne nocht bekanntgeben, daß es eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, daß Frauen ebenso wie Männer Leitungsfunktionen in der Kirche innehaben können. Diese Tatsache ist, obwohl selbstverständlich, offensichtlich von genau solchem Nachrichtenwert, wie die Resolution gegen Rassismus und Fremdenhaß. Zugegeben, die Gleichstellung von Männern und Frauen war ein langwieriger Lernprozeß, auch in unserer Kirche. Aber mittlerweile werden Frauen nicht mehr in Ämter gewählt, weil sie Frauen sind, sondern dann, wenn sie kompetent sind.

Deswegen ist eine Frau im Oberkirchenrat ein alter Hut und so selbstverständlich wie Regen oder Sonnenschein. Wobei ich in diesem Fall doch für Sonnenschein plädieren würde.

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