Unter deinen Flügeln...

Er war ein Westfale, ein Christ, ein Politiker und wäre im Juli 100 Jahre alt geworden. Gustav Heinemann: Parlamentarier, Minister, deutscher Bundespräsident. Anläßlich des 100. Geburtstags wird er in der Edition Zeitzeugen des Hans Thoma Verlages vorgestellt - "Gustav Heinemann. Christ und Politiker": Freunde und Kollegen beschreiben die Stationen des 1976 verstorbenen Heinemann vom engagierten Christen über den Minister bis zum Bundespräsidenten.

Er studierte in Göttingen, München und Marburg Volkswirtschaft und Juristerei. In einem Alter, in dem andere aus der Kirche austreten, begann er, sich für sie zu interessieren. Sein ganzes politisches Leben war ab da sehr christlich - protestantisch - geprägt.

Nach dem Krieg war Heinemann Mitbegründer der CDU in der britischen Zone. 1949 wurde er erster BRD-Innenminister. Im gleichen Jahr beteiligte er sich an der Gründung des Evangelischen Kirchentages. Als Gegner der Wiederaufrüstung, für die Adenauer eintrat, gründete Heinemann seine eigene Partei, die Gesamtdeutsche Volkspartei. Er kämpfte mit ihr für ein neutrales, vereinigtes Deutschland. Dafür wurde er auch als "von Moskau gekauft" denunziert. Später wandte er sich der SPD zu. Sein Weggefährte, der Theologe und Verfassungsrichter Helmut Simon, erinnert an Heinemanns Rechtfertigung für diesen Schritt: "Er hat damals gesagt: Christus ist nicht gegen Karl Marx, sondern für uns alle gestorben."

Erhard Eppler beschreibt den "nüchternen Westfalen", den stillen, wortkargen Zuhörer, den klugen Politiker. Gustav Heinemann bestieg die höchsten Stufen der Macht, ohne von ihr eingenommen zu werden. Er witzelte über die Obrigkeit, wie sich Verfassungsrichter Simon erinnert, mit dem Satz des buckelnden Schneiders, der zu seinem Fürsten spricht: "Unter deinen Flügeln kann ich ruhig bügeln."

Gustav Heinemann. Christ und Politiker.

Hg. von Jörg Thierfelder und Matthias Riemenschneider. Hans Thoma Verlag, Karlsruhe 1999. 256 Seiten, brosch., öS 218,-/E 15,80.