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Staatsmann ohne Staat
„Ich liebe nicht den Staat — ich liebe meine. Frau.“ Das war humoristisch gemeint, traf aber die Staatsauffassung des nach kurzem Krankenlager verstorbenen früheren deutschen. Bundespräsidenten. Und'das andere Wort von ihm gehört dazu: „Ich fühle mich nicht als Staatsoberhaupt oder als Staatspräsident.“ Auch das konnte nur ein Mann sagen, der zuvor mit diesem Staat, dem er dann zweimal als Minister und schließlich fünf Jahre als Präsident diente, keinen Frieden geschlossen hatte. „Staat“ überhaupt war ihm verdächtig, die Bundesrepublik, die ihr Entstehen als deutscher Teilstaat einer Nötigung verdankte, doppelt.
Das läßt sich aus den Daten seines Nachkriegslebens deutlich und bruchlos ablesen. CDU, Gesamtdeutsche Volkspartei, SPD — sie sind nur die äußeren Markierungen eines Bürgerlebens, das seiner Bürgerlichkeit zutiefst unsicher war. Heinemann war — man verzeihe das Wort — schon als Kapitalist geboren und hat mit Energie in seinen verschiedenen Funktionen, als Wirtschaftler und Jurist, dieses Angeld vermehrt. Ein Staat aber, der die
freie Wirtschaft von Anbeginn auf seine Fahnen geschrieben hatte, war ihm zutiefst verdächtig. Daraus hat er nie ein Hehl gemacht.
Der Grund für diesen Widerspruch ist nicht leicht zu finden. Am nächsten kommt man ihm, wenn seine Freundschaft zu den maßgeblichen Theologen des kirchlichen Widerstands, an dem
er selbst tatkräftig Anteil hatte, ins Blickfeld faßt. Niemöller, Gollwitzer, Kloppenburg — sie waren seine engsten Freunde. Gerade sie aber haben nie aufgehört, das Nachkriegsdeutschland, wohlgemerkt das westliche, als klerikal, kapitalistisch, von Konzernen tyrannisiert und faschistoid zu etikettieren. Heinemann ging nicht ganz so weit, aber er war, wie sein kurzer Nachruf auf den Tod der Meinhof beweist, gleicher Meinung. Adenauer — das war für ihn das Unglück schlechthin.
Seine persönliche Integrität und Bescheidenheit, seine sympathische Amtsführung und glaubwürdige Vertretung der Bundesrepublik nach außen, sein aus biblischen Quellen genährter, nüchterner Glaube und sein offenes Ohr für die Entrechten werden in Erinnerung bleiben. Ebenso aber auch, daß dieser Mann, der große Summen für das Anti-rassismusprogramm spendete, bei dem ersten Besuch eines deutschen Bundespräsidenten in Rumänien kein Wort für die Hunderttausende von Deutschen fand, die nach Deutschland zurückwollen.
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