Von der mörderischen Reinheit

Werbung
Werbung
Werbung

Wieder steht eine Säuberung bevor. Reinheit ist Trumpf. Die Friedensgespräche über den Kosovo sind gescheitert. Die NATO droht mit militärischem Eingreifen, aber niemand weiß, wann. Die Serben haben eine Großinitiative gestartet. Ziel ist offenbar, den Kosovo zu teilen und zwischen beiden Teilen eine verbrannte Zone einzuziehen. Der verbliebene Rest wird den Albanern überlassen, die Welt wird das hinnehmen. Die ethnische Säuberung wird vollkommen sein und akzeptiert werden. Ein Wahnsinn angesichts der Geschichte des Zusammenlebens zweier Völker, ein Wahnsinn angesichts der tatsächlichen Bevölkerungszahlen. Ein Triumph für die Adepten der Reinheit.

Reinheit verhindert oder zerstört Nachbarschaft, bringt Vernichtung und Tod. Nicht nur bei wilden Balkanvölkern. Die völkische Reinheitsideologie ist auch in unseren Gegenden gang und gäbe, mausert sich zur Staatsideologie. Prominente Biologen scheuen sich nicht, tierische Verhaltensweisen zur Norm für Menschen auszugeben, wobei sie natürlich immer gerne die amerikanischen Rassenprobleme, nie aber das doch ziemlich gelungene Beispiel der Vielvölkerstadt Wien zum Beweis heranführen. Der Sozialdarwinismus ist 1945 nicht an sein Ende gelangt. Entsprechend wird auch hierzulande Ausländerpolitik gestaltet.

Dabei darf nicht vergessen werden, daß die Reinheitsideologie die säkularisierte Form einer religiösen Idee ist, die in den Religionen, der christlichen zumal, immer noch allgegenwärtig ist. Dabei steht natürlich wieder einmal der sexuelle Bereich im Vordergrund, der Religionen liebstes Operationsfeld. Wie hoch doch dieses Ideal gesteckt wird, wie weit weg es doch von der so krummen Wirklichkeit entfernt ist!

So löblich es ist, wenn religiöse Führer aus dem Kosovo zusammengebracht werden, um miteinander zu reden, so löblich es auch ist, Raum zu geben, einander offen vorzuwerfen, was man meint, vorzuwerfen zu haben, damit man überhaupt ins Gespräch kommt, so löblich es vor allem ist, zu Gewaltverzicht aufzurufen: Wäre es nicht notwendiger und zielführender, sich mit den eigenen Reinheitsvorstellungen auseinanderzusetzen, in denen die Wurzeln der heutigen Gewalt verborgen liegen?

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung