Zeitgeist Stillstand

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Vielleicht wird man sich als an Weiterentwicklung meiner Kirche Interessierter bald nicht mehr mit dem Vorwurf herumschlagen müssen, dem "Zeitgeist" aufzusitzen. Dieser "Zeitgeist" entpuppt sich langsam als Ratgeber in Richtung Stillstand und Reformverzicht. Die römisch-katholische Kirche ist nämlich "gut aufgestellt". Sie ist als absolutistische Monarchie organisiert und verliert keine Zeit mit Partizipation des "Volkes Gottes" oder so etwas wie Rechenschaft und Verantwortung diesem gegenüber. Sie hat solide Mauern um sich und liefert "Identität" durch Abgrenzung von den "anderen". Und sie hat eine feste, unveränderliche Doktrin, die wissen lässt, woran man ist. Nur noch kurze Zeit, und all die demokratiemüden, Zugehörigkeit suchenden und all der Komplexität überdrüssigen Menschen des 21. Jahrhunderts werden die Kirchen füllen.

Das Sponsoring für Kirchenrenovierungen wird - zumindest für die Basiliken - funktionieren, weil gerade die Reichen und Einflussreichen vor allem in Wirtschaft und Medien eine solche Kirche besonders schätzen werden. Sie hält sich aus allem heraus - bis auf ein paar Feiertags-Wortspenden zu "Frieden" und "Gerechtigkeit", die nichts kosten - und ist doch mit allem kompatibel. Und ihre unveränderten Riten und Lehrsätze? Die sind sogar ziemlich hipp (siehe oben).

Was aber, wenn uns die Jesus-Impulse genau in die andere Richtung führen sollten? Seine Relativierung aller religiösen Autorität zugunsten einer neuen Gottunmittelbarkeit jedes Menschen, seine Berufung von "Laien" zur Mitträgerschaft seiner Verkündigung, sein Kampf für den Dienstcharakter allen "Gesetzes" gegenüber dem Menschen und sein beständiges Anrennen gegen "Identitäts"-Mauern mögen zwar "zeitgeistig" nicht gerade angesagt sein, korrespondieren aber auffallend deutlich mit Knackpunkten der Weltentwicklung.

Der Autor ist Pfarrer in Probstdorf und Universitätsseelsorger.

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