Zweierlei Maß in geteilter Welt

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Nun ist es also gelungen, die österreichischen Wüstenfahrer aus der Geiselhaft in Algerien zu befreien. Die Anteilnahme an ihrem Schicksal war groß, dementsprechend auch die Berichterstattung in den Medien ausführlich. Es war nicht das erste Mal, dass ein an sich gesuchtes Abenteuer eine negative Eigendynamik bekommen hat und den Abenteurern über den Kopf gewachsen ist. Zu ihrem Glück haben sie dann, wie im Falle Österreichs, einen gut organisierten Heimatstaat hinter sich, der alles aufbietet, um sie aus ihrer misslichen Situation heraus zu holen.

Zumindest zwei Aspekte solcher Ereignisse finden in der fieberhaften Anteilnahme am Schicksal von Landsleuten meist wenig Beachtung. Da ist zum einen der kurze Einblick in das, was für die Menschen in gar nicht wenigen Ländern des "Südens" Alltagsrealität ist: das gefährliche Leben inmitten schwerer gesellschaftlicher, sozialer Spannungen und Konflikte. Und kein Heimatstaat, der einen herausholt. Manchmal sogar im Gegenteil: ein Heimatstaat, der selbst bedroht und Gewalt anwendet. Aber der Einblick ist nur kurz, wenn er überhaupt möglich ist. Denn die Sendeminuten zur Primetime und die Titelseiten werden mit dem außergewöhnlichen Schicksal "unserer" Abenteuerreisenden oder Touristen gefüllt.

Der andere, eher übergangene Aspekt ist der Umgang mit Menschen, die aus solchen "gefährlichen" Ländern zu uns flüchten. Ihnen werden ihre "Geschichten" schon vorweg und pauschal nicht geglaubt. Sie werden zu "Wirtschaftsflüchtlingen" und Drogen dealenden Schmarotzern erklärt, bevor man sich mit dem Lebenshintergrund auseinander gesetzt hat, aus dem sie kommen. Die Berichte und Interviews der geretteten Österreicher werden noch lange Zeitungsseiten und Fernsehsendungen füllen. Zweierlei Maß in einer zweigeteilten Welt.

Der Autor ist Pfarrer in Probstdorf und Universitätsseelsorger in Wien.

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