Serverfarmen statt Schweinefarmen

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Die Ausmaße sind riesig: Allein in Des Moines beläuft sich die Fläche, die für Rechenzentren reserviert ist, auf über 57 Hektar.

Im Windschatten der wirtschaftlichen Entwicklung im Silicon Valley hat sich ausgerechnet der Agrarstaat Iowa als Technologiezentrum etabliert.

Des Moines. Quadratkilometergroße Maisplantagen, riesige Roggen-und Weizenfelder, Schweinefarmen -der US-Bundesstaat Iowa ist vor allem als Agrarstaat bekannt. 90 Prozent der Fläche wird für Landwirtschaft genutzt. Die Hauptstadt Des Moines hat gerade einmal 200.000 Einwohner. In den kleineren Städten mit ihren Backsteinhäusern und Methodistenkirchen aus dem 19. Jahrhundert atmet noch der Siedlergeist. Man erzählt gerne Witze darüber, dass es in Iowa sechsmal mehr Schweine als Bewohner gibt. Alle vier Jahre rückt der Bundesstaat bei den Vorwahlen im US-Präsidentschaftswahlkampf im Mittleren Westen in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Iowa gilt neben Kansas und Kentucky als klassisches Flyover-Country, jene Landesteile, die man bei Interkontinentalflügen überfliegt - und politisch links liegen lässt. Doch im Windschatten der wirtschaftlichen Entwicklung im Silicon Valley hat sich ausgerechnet der Agrarstaat Iowa als Technologiezentrum etabliert.

Siri aus Iowa

Tech-Konzerne wie Apple, Google, Facebook und Microsoft haben in den Weiten von Iowa riesige Rechenzentren gebaut. So wird Apple zur Optimierung seines App Stores und des Sprachassistenten Siri 1,3 Milliarden US-Dollar in eine neue Serverfarm in Iowa investieren, die vollständig mit erneuerbarer Energie betrieben werden soll. Durch den Bau der 3,7 Hektar großen Anlage sollen 550 neue Jobs entstehen. Darüber hinaus hat Apple 100 Millionen Dollar an einen öffentlichen Strukturfonds überwiesen. Facebook hat im vergangenen Jahr mit dem nächsten Bauabschnitt seines Rechenzentrums in Altoona begonnen, das sich nach der Fertigstellung auf 23 Hektar erstrecken soll, eine Fläche so groß wie 30 Fußballfelder. Google hat seit einigen Jahren sein Rechenzentrum in Council Bluffs in Betrieb.

Die Tech-Konzerne hinterlassen in der Provinz von Iowa einen gewaltigen Fußabdruck. Allein in der Region um Des Moines beläuft sich die Fläche ausgewiesenen Baulands oder bereits bebauter Flächen von Rechenzentren auf über 57 Hektar. Die Flächenstaaten bieten billiges Bauland, um den Hunger nach Land der Tech-Konzerne und ihren "Appetit nach Daten" zu stillen. Auf Google Street View kann man die Anlage in Council Bluffs virtuell besichtigen: Mitten in der Prärie steht ein mausgrauer Betonklotz, dessen heiß laufende Server von riesigen Kühltanks heruntergekühlt werden. Rechenzentren sind die Maschinenräume der Digitalwirtschaft -und Datensilos. Denn die scheinbar ortlosen Cloud-Dienste benötigen Flächen im physischen Raum. Jede Google-Suche setzt eine Maschinerie in Gang, bei der Daten durch Glasfaserkabel gejagt und von algorithmischen Systemen analysiert werden. Wer in New York Siri nach dem Wetter fragt oder nach Restaurants googelt, dessen Daten könnten zuerst in Iowa landen, ehe das Suchergebnis knapp 2000 Kilometer weitöstlich auf dem Smartphone an der Ostküste aufpoppt. Das alles geschieht in Bruchteilen von Sekunden.

Jobmotoren?

Die Rechenzentren gelten als wichtiger Jobmotor in einer strukturschwachen Region. Google etwa hat mehrere Stellen für Mechaniker und Techniker in Iowa ausgeschrieben, die Rohrstücke für Kühlsysteme zuschneiden oder Computerserver warten. Die neuen Jobs im Technologiesektor sind umso wichtiger, als der protektionistische Wirtschaftskurs von US-Präsident Donald Trump der Landwirtschaft Iowas mehr schadet als nutzt. Vor allem die von China verhängten Strafzölle auf Agrarprodukte wie Schweinefleisch, Mais und Sojabohnen treffen die Region hart. Laut Moody's Investors Service hat Iowa 2016 Sojabohnen in einem Handelsvolumen von zwei Milliarden Dollar nach China exportiert. Das macht vier Prozent der Wirtschaftsleistung des Agrarstaats aus. Die Landwirte sind beunruhigt.

Hoffnung macht ihnen nun das Silicon Valley. Apple-CEO Tim Cook pries Iowa auf den Stufen des State Capitol als "neue Heimat der Innovation im Kernland Amerikas". Die Infrastrukturprojekte sollen wie ein Magnet für hochqualifizierte Ingenieure und Start-ups wirken. Die Politik hat die Vision, den Agrarstaat zu einem wissensbasierten High-Tech-Hub auszustaffieren. Serverfarmen statt Schweinefarmen. Doch ob die Präsenz der Tech-Konzerne ein neues Jobwunder schafft, daran gibt es in Iowa Zweifel. Zahlen des Bureau of Labor Statistics belegen, dass sowohl die Löhne als auch Jobs in der Kategorie gesunken sind, in der auch Rechenzentren statistisch erfasst werden. Arbeitsmarktexperten wenden ein, dass der Jobeffekt der Rechenzentren auf die lokale Wirtschaft gering sei. Der Datenspezialist Yevgeniy Sverdlik bezeichnete in der Zeitung Des Moines Register Rechenzentren als "ein großes Warenhaus mit einem Zaun und knallharter Security drum herum".

Steuererleichterungen

Kritik gibt es auch an der Standortpolitik. Die Regierung in Iowa soll Apple für den Bau des Rechenzentrums großzügige Steuererleichterungen in Höhe von 208 Millionen Dollar gewährt haben. Und das, obwohl Apple ohnehin schon wenig Steuern in den USA bezahlt. Die Kommunen machen einen Kotau, um die mächtigen Technologiekonzerne anzulocken. So bot der Gemeinderat der Stadt Stonecrest im US-Bundesstaat Georgia Amazon bei der Suche nach einem zweiten Hauptquartier an, seinen Namen in "Amazon" zu ändern und dem Konzern 1,4 Kilometer Land zur Verfügung zu stellen, auf dem es seinen Firmensitz errichten könne. Internetkritiker sehen in der Expansion der Tech-Konzerne eine Landnahme mit dem Ziel, neben dem virtuellen auch den physischen Raum zu kolonisieren.

In die allgemeine Skepsis mischen sich zudem ökologische Bedenken. Der Grund: Der Betrieb der Serverfarmen verschlingt jede Menge Energie und Wasser. Laut einer Studie könnte der "Tsunami an Daten" bis 2020 ein Fünftel des gesamten weltweiten Energiebedarfs ausmachen. Schon heute verbrauchen Bitcoin-Hersteller in Island mehr Strom als Haushalte. Der Bau von Microsofts drittem Rechenzentrum "Project Osmium" in Des Moines verzögerte sich, weil die Wasserversorgung mit dem lokalen Versorger geklärt werden musste. Beim Wasser drohen neue Verteilungskonflikte zwischen Landwirten und Tech-Konzernen. Für Verbraucher und Landwirte könnte die Strom- und Wasserrechnung künftig teurer ausfallen. Farmer oder Serverfarmen? Das ist die Frage, die sich die Regierung in Des Moines stellen muss. Die Tech-Konzerne dürften dabei am längeren Hebel sitzen. Viel spricht dafür, dass mit den Wasservorräten in Zukunft eher Rechenzentren gekühlt als Felder bewässert werden.

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