Wahlbeteiligung und Demokratie

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Der Wahlsieg Viktor Orbáns hat erwartbare Kommentare ausgelöst: Die einen ergehen sich in Unverständnis über die Dummheit der Wähler; die anderen sehen sich darin bestätigt, dass das Volk in der Zuwanderungsfrage erneut ein klares Signal gesetzt hat.

Mich bewegt auch ein anderes Thema: Es war auffallend, wie am Wahltag die deutlich über den Erwartungen liegende Entwicklung der Wahlbeteiligung in österreichischen und deutschen Medien online stundenlang als offensichtliches Signal gegen einen Sieg Orbáns gedeutet wurde. Mir war nicht klar, warum eine hohe Wahlbeteiligung gleichsam automatisch ein Signal dafür sein sollte, dass eine klar konturierte Regierungspolitik abgewählt wird.

Einmal mehr zeigt sich ein grundlegendes Verstehensproblem demokratischer Vorgänge. Falsche Webseiten im Wahlkampf, rechtswidrige Datenabsaugung zur Erstellung von politischen Profilen von Bewohnern auf Haushaltsebene, Falschinformationen im Vorfeld jeder Wahl, die Aufforderung zu "strategischem Wählen" oder -im Sinne einer asymmetrischen Demobilisierung - vom Wahlrecht nicht Gebrauch zu machen: Immer steht im Hintergrund die Annahme, dass Menschen ihre Stimme nicht nach jenen Vorstellungen abgeben, für die sie sich einsetzen, sondern dass es um andere Motive geht, die man nur richtig deuten oder umdeuten muss.

Wenn es allerdings wirklich zutrifft, dass Menschen so leicht manipulierbar sind (und manches spricht in der Tat dafür), dann sollten sich alle Demokraten einig sein, dass die Feinde der Demokratie jene sind, die das Votum des Volkes zum Kampf der Manipulatoren degradieren. Wenn eine hohe Wahlbeteiligung als Indikator für Unzufriedenheit gesehen wird, und nicht -unabhängig vom Ausgang -als Ausdruck einer starken Demokratie, sollten alle Alarmglocken läuten.

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