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Wien läßt die Spitäler verhungern

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Wie oft bekommt jemand, der ins Spital muß, die Auskunft: Leider, kein Bett frei! In Wien wird man dies in Zukunft öfter zu hören bekommen, wenn die Ordensspitäler mangels Unterstützung durch die Gemeinde zusperren müssen.

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Wie oft bekommt jemand, der ins Spital muß, die Auskunft: Leider, kein Bett frei! In Wien wird man dies in Zukunft öfter zu hören bekommen, wenn die Ordensspitäler mangels Unterstützung durch die Gemeinde zusperren müssen.

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Spitäler vor dem Konkurs?” So lautete in einer Oktoberausgabe der furche (40/95) die bange Frage nach der Zukunft sozial-carita-tiver Einrichtungen der Kirche. Acht Monate später wird die Frage zur Gewißheit: Die Existenz der Wiener Ordenskrankenhäuser ist bedroht. Das Finanzierungssystem der Spitäler läßt in seiner derzeitigen Form Lücken entstehen, die von den Orden nicht länger geschlossen werden können. Die Wiener Ordenskrankenhäuser greifen deshalb nun in die Diskussion um die Spitalsfinanzierung ein, sie haben sich in einem offenen Brief an Bundeskanzler Franz Vranitzky (furche 26/95) gewandt. „Lassen Sie bitte nicht zu, daß in Wien für den kostengünstigsten Anbieter für Gesundheitsversorgung' durch Nichtlösen des bundesweiten Problems ,Spitalsfi-nanzierung' der weitere Betrieb gefährdet wird”, so der Appell der Ör-denskrankenhäuser.

Wird nicht bald eine Lösung gefunden, müssen einige Häuser ihre Pforten schließen. „Vorsichtig geschätzt dreht es sich um drei bis vier Einrichtungen, die wir noch vor dem Jahr 2000 aufgeben müßten”, so Schwester Josefa Michelitsch vom Arbeitsausschuß für Öffentlichkeitsarbeit der Wiener Ordenskrankenhäuser. Für sie wie für die Mitinitiatoren des offenen Briefes liegt die Wurzel des Übels in der Ungerechtigkeit des

Finanzierungssystems. Da die Ordensspitäler zwar gemeinnützig geführt werden, nicht aber das Öffentlichkeitsrecht besitzen, haben sie keinen Rechtsanspruch auf die volle Subventionierung oder Deckung des Re-triebsabganges. Dieser wird, so kalkuliert die bestehende Finanzierungsform, von den Trägern der Krankenhäuser bezahlt. Im Falle von Bund, Ländern und Gemeinden sind das die Steuerzahler, bei den Ordenskrankenhäusern jedoch die jeweiligen Kongregationen. Hier klafft eine Lücke: Die Krankenversicherung deckt nur einen Bruchteil der Kosten, auch die Zuschüsse aus dem Spitalfonds (Kra-7af = Krankenanstaltenzusammenarbeitsfonds) decken die Betriebsabgänge bei weitem nicht.

Mildern konnten die Ordenskrankenhäuser die Verluste bisher damit, daß sie die Löhne und Gehälter für die geistlichen Schwestern und Brüder -an sich als Gesamtsumme den Kongregationen zur Verfügung gestellt -zur Deckung des Abganges herangezogen haben. Die Finanzierung auf diesem Wege wird sich in Zukunft jedoch problematisch gestalten. Seit 1985 nämlich ist die Zahl des geistlichen Krankenpersonals in den Wiener Ordensspitälern um 23 Prozent zurückgegangen, der Trend setzt sich fort. „Der Altersdurchschnitt der in Spitalern beschäftigten Ordensleute liegt heute zwischen 50 und 60 Jahren und Nachwuchs kommt kaum einer

nach”, gibt Schwester Josefa Michelitsch zu bedenken; „bald werden die Ordensgemeinschaften das Geld nicht mehr aufbringen können.”

Im Kern der Kritik der Ordensspitäler steht, daß sie bei der Finanzierung anders behandelt werden als die Gemeindekrankenhäuser. Leisten sie doch einen beachtlichen Dienst an der Gesellschaft: Mit insgesamt rund 1.900 Betten, etwas weniger ajs die Gesamtkapazität des Wiener AKH, versorgen sie jährlich rund 160.000 Patienten, ein Drittel davon stationär. Damit decken sie immerhin 17 Prozent der gesamten Gesundheitsversorgung Wiens, verursachen gleichzeitig aber nur zwölf Prozent der Kosten. Der Standard bei Pflege und medizinischer Betreuung ist dabei keinesfalls weniger hoch, ebenso die Zahl sogenannter „ spitzen versorgungsleistungen ”.

Probleme durch mangelnden Nachwuchs bei geistlichen Schwestern und Brüdern

„Die Wiener Ordenskrankenhäuser arbeiten besonders kostengünstig und effizient, werden äußerst ökonomisch geführt”, betont Wolfgang Huber, Geschäftsführer der Barmherzigen Schwestern-Krankenhäuser. Während in den Gemeindekrankenhäusern (ohne das AKH) ein Defizit von 3.800 Schilling pro Ver-pflegstag anfällt, beträgt es bei den Ordensspitälern mit 690 Schilling pro Tag nicht einmal ein Fünftel davon.

Wie soll die Finanzierung aber aussehen? Dazu Pater Leonhard Gregotsch, Generalsekretär der Superi-orenkonferenz, der für die ARGE konfessioneller Krankenanstalten den Brief an den Bundeskanzler unterzeichnet hat: „Wir wollen eine gerechte Behandlung. Bei der Finanzierung darf kein Unterschied gemacht werden zwischen den Gemeindespitälern und den Ordenskrankenhäusern.”

Unabhängig vom Bechtsträger sollen auch in Wien die tatsächlichen Kosten von den Versicherungen und der öffentlichen Hand bezahlt werden, fordern deshalb die Ordenskrankenhäuser.

Ordensspitäler: Im Jahr soviel Betriebsabgang wie das AKH in nur einer Woche

Um eine Kostenexplosion zu vermeiden, treten sie für eine langfristige Budgetierung ein. Sie soll in den folgenden Jahren schrittweise zu einer „leistungs- und diagnosebezogenen Honorierung” führen. Orientierung sollen dabei die derzeitigen Ist-Kosten sein. Konkret bedeutet dies: Für das Jahr 1995 bekommen die Spitäler den gesamten Betriebsabgang ersetzt. Eine vergleichsweise milde Forderung: „Die Summe, die die Ordenskrankenhäuser brauchen, um ihren diesjährigen Betriebsabgang auszugleichen, liegt bei 100 Millionen Schilling. Das entspricht dem Defizit, das im Wiener AKH 1993 innerhalb einer Woche angefallen ist”, so Wolfgang Huber.

Für das Jahr 1996 soll dann nach dem Entwurf der Ordenskrankenhäuser das Budget um einen fixen Faktor erhöht werden. Mit etwa fünf Prozent orientiert sich dieser an der allgemeinen Inflationsrate, am Anstieg der Pflegesätze und einem Strukturfaktor. Die Ordenskrankenhäuser befürworten damit eine Budgetvariante, welche ihren Angaben nach die Zuwachsrate der Spitalsausgaben halbieren würde. Die Rate liegt derzeit bei rund zehn Prozent. Weiters gehört zum Plan der Wiener Ordenskrankenhäuser die „strukturelle Verankerung von Qualitätskontrollen”. Diese sollen eine Kostensenkung vermeiden, die zu Lasten der Patienten beziehungsweise der medizinischen Versorgung ginge.

Die Existenz der Wiener Ordenskrankenhäuser ist bedroht. Wird nicht bald die Diskussion über die Spitalsfinanzierung zu einem gütlichen Ende gebracht, dann blüht einigen Häusern der Konkurs. Augenblicklich findet laut Pater Gregotsch ein „langsames Aushungern” statt. In nicht allzu ferner Zeit sieht er die finanziellen Reserven einiger Kongregationen aufgebraucht: „Dann wird es tatsächlich daran gehen, das Familiensilber zu verkaufen.”

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