Das Buch: "Bad Medicine"

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An David Woottons Buch "Bad Medicine" scheiden sich die Geister: Von Medizinern wurde es generell positiv aufgenommen. Ein Rezensent des British Medical Journal etwa empfahl es allen Medizinstudenten wärmstens zur Lektüre. Von Seiten seiner Fachkollegen hingegen, den Wissenschaftshistorikern, gab es einige heftige Attacken.

Weshalb? Offensichtlich hat Wootton ein unausgesprochenes Gesetz der Geschichtsschreibung verletzt: Die Vergangenheit soll aus sich heraus verstanden, eine uns heute fremd erscheinende Sicht als möglich und rational dargestellt werden; Wootton hingegen bezieht klar Stellung und fällt Urteile - über gute und schlechte Medizin, Helden und Schurken. Dann schreibt der Geschichte-Professor über Fortschritt. Doch die These, dass die Welt (in diesem Fall eigentlich: die Medizin) im Laufe der Zeit besser geworden sei, ist verpönt - zumal bei britischen Historikern, die dabei abschätzig von "Whig History" sprechen. Schließlich provoziert Wootton mit seinen Antworten: Im ersten Teil des Buches etwa beweist er, dass sich die Medizin von Hippokrates bis ins späte 19. Jahrhundert wenig entwickelt und gleichzeitig dem Menschen kaum geholfen hat. Ja, weit verbreitete Praktiken wie der Aderlass haben die Kranken zusätzlich geschwächt. Im zweiten Teil werden die Arbeiten der ersten Anatomisten und Mikroben-Forscher beleuchtet. Deren Ergebnisse widersprachen oft den althergebrachten Wahrheiten. Überraschenderweise veränderten die wissenschaftlichen Erkenntnisse aber nur sehr langsam die Heilpraxis. Der dritte Teil widmet sich der Geschichte des Zählens und Vergleichens in der Medizin. Die Statistik wird so zum wichtigen Mittel, um gute von schlechten Therapien zu trennen.

Die in den drei Teilen behandelten Themen sind eigentlich so weitläufig, dass sich locker drei Bücher ausgegangen wären. "Bad Medicine" gleicht folglich eher einem längeren Thesenpapier. Das ist nicht negativ gemeint. Im Gegenteil: Das Buch bleibt so kantig und leicht lesbar. Und die Idee, eine Geschichte des Stillstands, der Umwege und Verzögerungen von Innovationen zu schreiben, ist allemal spannend.

BAD MEDICINE

Von David Wootton

Oxford UP, Oxford 2007

314 Seiten, kart., € 15,70

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