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Das Risiko fährt immer mit

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An seinen Autofahrkünsten läßt kaum ein Mensch, schon gar nicht ein Mann und schon gar nicht ein Österreicher zweifeln. Sind wir nicht das Land des dreifachen Automobilweltmeisters Niki Lauda? Oder liegt Österreichs nicht gerade rühmliche Verkehrsunfallbilanz vielleicht gerade daran, daß man sich hierzulande mit übersteigertem Selbstvertrauen ans Volant setzt und sich als uneingeschränkter „King of the Road” fühlt? Und daß man dabei in Gedanken die stets vorhandene Gefahr ausblendet?

Sicherheit ist für viele Menschen heute ein Grundbedürfnis: der sichere Arbeitsplatz, der Schutz vor Kriminalität, die Bewahrung der Gesundheit. Auch die Sicherheit im Straßenverkehr liegt vielen am Herfen, anderseits darf man nicht übersehen, daß manchen die moderne Welt offenbar zu sicher und zu langweilig geworden ist. Denn auch die Suche nach mehr Nervenkitzel nimmt zu.

Immer mehr Leute versuchen sich in entsprechenden „Risikosportarten” vom Extremklettern bis zum Bungyjumping, vor allem in Großstädten stacheln einander Jugendliche zu den seltsamsten „Mutproben” an. Auch „Geisterfahrer” sind nicht immer unabsichtlich zu solchen geworden. Übrigens verletzen sich alljährlich in Österreich rund 120.000 Menschen bei Sportunfällen, im Straßenverkehr registrierte man 1994 bei nicht ganz 40.000 Unfällen mit Personenschaden 50.860 Verletzte und 1.336 Lote.

Das Automobil spielt in der Welt von heute eine große Rolle, ob in seinen teuren Ausführungen als chromblitzendes Statussymbol oder ob als vierrädriger Ausdruck der Freiheit (nicht nur der Bewegungsfreiheit). Für viele ist es Identifikationsobjekt, für manche Jugendliche so sehr, daß sie mit ihrem Auto den 1 od gesucht oder einen Schaden am Auto zum Anlaß für Selbstmord genommen haben.

Sage mir, wie du fährst, und ich sage dir, wer du bist. Am Fahrverhalten lassen sich viele Eigenschaften eines Menschen ablesen. Die Lenker in romanischen Ländern, vor allem in Italien, haben - zu Becht oder zu Unrecht - den Ruf, sich zwar weniger stur an Regeln zu halten als hierzulande, aber insgesamt toleranter, rücksichtsvoller zu fahren, wenn es die Situation erfordert. In einer rücksichtslosen Gesellschaft wird auch mit weniger Rücksicht (und das wörtlich: zum Beispiel ohne Blick in den Bückspiegel) chauffiert. Symptomatisch ist das aggressive Heranfahren an den Vordermann

Im letzten Drittel

liegt Osterreich in allen internationalen Statistiken über Verkehrssicherheit. Ist doch nicht jeder ein Niki Lauda?

auf der Autobahn, obwohl dieser ohnehin knapp am erlaubten Limit fährt. Die ÖAMTC-Akademie hat eine Studie über dieses gefährliche, meist mit der Lichthupe unterstrichene Bowdytum erstellt. Ergebnisse: Die Täter sind vorwiegend Männer, sie sitzen meist allein im Auto und fahren meist schwarze, besonders teure Autos. Und im allgemeinen haben sie mit ihrem drohenden Gehaben Erfolg.

Als häufigste Unfallursachen haben die Statistiker zu hohe Geschwindigkeiten und Alkoholkonsum ermittelt. 1994 wurden bei sieben Millionen Laser-Kontrollen (mit 610 Geräten, deren Zahl im ersten Quartal 1995 verdoppelt werden sollte) 941.434 Lenker wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit beanstandet. Im gleichen Jahr wurden bei fast 64.000 Al-kotests mit einem der 780 Alkoma-

ten 30.628 Führerscheine vorläufig abgenommen.

Darf man sich nun als Verkehrsteilnehmer auf Österreichs Straßen heutzutage sicher fühlen? Fest steht, daß ein Viertel der Todesopfer Fußgänger oder Badfahrer sind, die gegenüber Kraftfahrzeugen bei einer Kollision naturgemäß den kürzeren

ziehen. Laut Statistik sind 55 Prozent der Verkehrstoten schuldlos an dem Unfall, der zu ihrem Tod geführt hat, das gilt auch für die Opfer der jüngsten Tragödie im Bregenzer Pfändertunnel.

Die alte Volksweisheit, ein Autofahrer befinde sich mit einem Fuß im Grab und mit dem anderen „im

Kriminal”, ist nicht ganz falsch, wenn sie auch die vorhandenen Gefahren überzeichnet. Gegen das „Kriminal” kann sich der Autolen-ker selbst am besten schützen, wenn er im Fahrzeug nicht ein Mittel sieht, Frustrationen und Aggressionen abzureagieren, sondern die geltenden Verkehrsregeln beachtet (wobei manche Tempolimits, die im Grunde nur Baser ein wenig ein-bremsen wollen, auch für redliche Bürger zweifellos eine Qual sind).

Wer vorsichtig fährt, hat auch mehr Chancen, wenn auch keine Garantie, nicht allzufrüh im Grab oder im Spital zu landen. Daß ein Fahrzeug, dessen Sicherheitsstandard auf dem letzten Stand der Technik ist, das Risiko weiter verringert, ist ebenfalls klar. Doch zuviel Sicherheitsgefühl kann verhängnisvoll werden, wenn der Besitz eines solchen Spitzen-Automobils den Lenker zum leichtsinnigen Baser werden läßt, der damit ja nicht nur sich, sondern auch andere gefährdet.

Wer trotz aller denkbaren Maßnahmen - zuverlässiges Auto, Gurt und Airbag, vorsichtiges Fahren -bedenkt, daß das Bisiko immer mitfährt, kommt am sichersten heim.

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