Die Quintessenz des Geschmacks

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Neben den vier allgemein bekannten Geschmacksrichtungen, gibt es noch eine fünfte – und die heißt „umami“: Was der japanische Forscher Kikunae Ikeda vor genau einhundert Jahren entdeckt hat, spricht sich erst langsam und allmählich bis in europäische Küchen durch.

Süß, sauer, salzig und bitter – und umami: Vor hundert Jahren entdeckte der japanische Chemiker Dr. Kikunae Ikeda, dass es eine fünfte Geschmacksrichtung gibt. Ausgangspunkt war die japanische Dashi-Brühe, die aus Meeresalgen (Kombu), fermentierten Tunfischflocken und, je nach Sorte, auch Shiitake-Pilzen gebraut wird und Grundzutat für viele Gerichte ist. Der spezifische Geschmack dieser Brühe lässt sich mit keinem der anderen vier Geschmackseindrücke beschreiben, und Ikeda untersuchte, welche chemische Substanz diesen Eindruck hervorruft. Während etwa die Süß-Rezeptoren auf Glukose reagieren und die Sauer-Rezeptoren auf Säuren wie Buttersäure und Essigsäure, reagieren die Rezeptoren für die fünfte Geschmacksrichtung, die Ikeda „umami“ (japanisch für: köstlich, herzhaft) nannte, auf verschiedene Aminosäuren, insbesondere auf Glutamat – und das ist für den besonderen Geschmack der Dashi-Brühe verantwortlich. Es gelang Ikeda, künstlich Mononatriumglutamat herzustellen, das sich als Würzmittel besonders eignet, da es wasserlöslich und lange haltbar ist. Dies bescherte ihm die Aufnahme in die Rangliste der zehn bedeutendsten japanischen Erfinder – und der Lebensmittelindustrie ein Werkzeug, mit dem Gerichte sehr simpel geschmacklich verbessert werden können.

Umami in Europas Suppe

Die Industrialisierung der Nahrung machte in Europa zur gleichen Zeit einen ähnlichen Fortschritt: Im selben Jahr, 1908, stellte der Schweizer Julius Maggi den ersten industriell gefertigten Suppenwürfel her, als unkomplizierte und preiswerte Alternative für jene, die sich kein Fleisch leisten konnten. Tatsächlich ist beiden Brühen, der japanischen Dashi und der europäischen Fleischbrühe, derselbe Geschmack als Basis zu eigen: Umami.

In einer ausgewogenen Ernährung spielt dieser Geschmack eine große Rolle, da er Aminosäuren, also Eiweiß anzeigt. Wo fermentiert wird, wo etwas reift, wo Monate und Jahre bis zum Genuss vergehen müssen, werden Proteine aufgebrochen – und dabei entsteht Umami. „Wir haben Umami in Europa so lange nicht als eigenständigen Geschmack wahrgenommen, weil es einfach überall drinnen ist“, erläutert Prof. Klaus Dürrschmid von der Universität für Bodenkultur in Wien. „Die Japaner hingegen mit ihrer sehr proteinarmen Kost haben relativ früh bemerkt, dass das eigentlich etwas ganz Eigenes ist, das man aus den anderen Grundgeschmacksrichtungen nicht zusammensetzen kann.“

Eines der umami-reichsten Lebensmittel ist Parmesan. Die kleinen weißen Kristalle, die das typische Knirschen verursachen, sind Glutamat-Kristalle. Viel Umami ist auch in reifen Tomaten enthalten, in Hühnersuppe, in Schinken, in Germ. Blauschimmelkäse schmeckt danach, Anchovis, Pilze – kein Wunder, dass ausgerechnet die italienische Küche so beliebt ist, verarbeitet sie doch besonders viele umami-reiche Lebensmittel. Salami-Pizza und Spaghetti Bolognese sind regelrechte Umami-Explosionen. Viele beliebte Würzmittel, etwa Ketchup, die britische Worcester-Sauce, Sojasauce oder die vietnamesische Fischsauce Nuoc Mam, fügen Umami zum Essen hinzu – und machen den Geschmack damit angenehmer und reicher. Künstliches Glutamat hat ein schlechtes Image, da es in der industriellen Nahrungsmittelproduktion oft verwendet wird, um minderwertigen Zutaten besseren Geschmack zu verleihen. Auch das so genannte „Chinarestaurant-Syndrom“, heftige Kopfschmerzen, wird auf den üppigen Gebrauch von Glutamat zurückgeführt. Der Trick liegt in der Dosis, prinzipiell ist nichts Schädliches an dem weißen Pulver, das chinesische Hausfrauen genauso ins Essen streuen wie wir Zucker oder Salz.

Umami für den Molekularkoch

Spannend hingegen ist es, dem Umami-Geschmack durch natürliche glutamatreiche Lebensmittel auf die Spur zu kommen. Ein Schuss Sojasauce, ein Esslöffel der intensiven indonesischen Fischsauce oder ein Spritzer Ketchup verbessern den Geschmack eines Gerichts – chemisch nachvollziehbar. Dass sie diesen Trick anwenden, geben auch hoch dekorierte Profiköche zu, darunter Heston Blumenthal, der britische Molekularkoch, dessen Restaurant „The Fat Duck“ drei Michelin-Sterne trägt. „Im ‚The Fat Duck‘ verwenden wir umami-reiche Zutaten wie Dashi und Kombu (Getrocknete Meeresalgen, Anm.) auch bei Gerichten, die üblicherweise nicht mit Japan assoziiert werden – einfach, um mehr Umami-Geschmack zu bekommen“, erläutert Blumenthal. Obwohl Umami ursprünglich ausdrücklich in Bezug auf asiatische Lebensmittel beschrieben wurde, war es schon immer grundlegendes Element der westlichen Küche. Das Wissen um diesen Geschmack können Köche nun nutzen, um ihn gezielt einzusetzen.

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