"This Much I'm Worth - Die Künstlerin Rachel Ara ermittelt durch Algorithmen laufend ihren eigenen Verkaufswert ("Uncanny Values", MAK Wien). - © Rachel Ara
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Vor 100 Jahren widmete sich Sigmund Freud dem Phänomen des Unheimlichen. Im gleichnamigen Essay beschrieb er das Unheimliche als das einstmals Vertraute, das nun fremd geworden ist. Seine Gedanken sind aktueller denn je: Heute sind es einst vertraute Maschinen, die rasch unheimlich wirken können, sofern sie mit Künstlicher Intelligenz (KI) scheinbar lebendig werden.

Suchmaschinen im Internet etwa sind längst Teil unseres Alltags. Aber für manche wird es schon unheimlich, wenn Anfragen von einem digitalen Assistenten mit mechanischer Stimme beantwortet werden. Das gilt erst recht, wenn künstliche Wesen wie Roboter dem menschlichen Aussehen bereits recht nahekommen. Kein Wunder also, dass die Ausstellung zur KI, die derzeit als Teil der Vienna Biennale im Wiener MAK zu sehen ist, im Zeichen des Unheimlichen steht. Hoch an der Zeit, "unser unheimliches Verhältnis zur Gesamtheit der technologischen Bedingung in den Blick zu nehmen", heißt es dort. "Es stellt sich die Frage, was für eine Art Lebewesen die omnipräsente KI bereits ist und einmal werden wird (...)."

Zu sehen sind multimediale Installationen ebenso wie Szenarien aus aktuellen und möglichen Anwendungen von KI. Im Eingangsbereich werden die Besucher von 30 Porträts der US-Whistleblowerin Chelsea Manning empfangen, die am seidenen Faden von der Decke hängen. Doch es handelt sich nur um "mögliche Porträts", die algorithmisch auf der Basis von DNA-Analysen erzeugt wurden. Auch die Gesichter, die über einen Bildschirm laufen, gehören nicht zu echten Menschen, sondern wurden lediglich von KI generiert. Die Fallstricke der Täuschung lauern nunmehr überall: Was echt und was künstlich ist, wird künftig schwer zu trennen sein. Die Ausstellung führt vor Augen, dass die Vernetztheit intelligenter Technologien jener in Ökosystemen kaum noch nachsteht. Zugleich helfen intelligente Systeme bereits dabei, Ökosysteme zu schützen. So messen Sensoren unzählige Klimadaten, Verschmutzungsgrade oder Ozeanströmungen und sollen in Zukunft noch direkter in die Natur eingreifen. Selbst so etwas Unberechenbares wie das menschliche Gefühlsleben ist zum "Material" für KI geworden: Stimmungsbilder ganzer Länder und Kontinente könnten so erstellt werden. Der Gipfel des Unheimlichen freilich liegt dort, wo KI dazu verleitet, dass sich der Mensch als Schöpfergott versteht. "Way of the Future" heißt die erste Kirche, deren Gott eine Künstliche Intelligenz sein soll.

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