Heilkräuter für das GemeinwoHl

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Das Kräuterunternehmen Sonnentor versucht eine in allen Facetten "gesunde" Unternehmenspolitik. Eine Visite im Waldviertel.

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Das Kräuterunternehmen Sonnentor versucht eine in allen Facetten "gesunde" Unternehmenspolitik. Eine Visite im Waldviertel.

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Steigt man in Sprögnitz bei Zwettl aus dem Auto, wird man sofort von einem betörenden Duftgemisch begrüßt: Colakraut und Schokominze wachsen hier neben Pimpinelle, Storchenschnabel und vielen anderen, fast vergessenen Kräutern. Ein Bus mit Besuchern ist gerade angekommen, und die Mitarbeiter des Waldviertler Unternehmens "Sonnentor" leiten die Kräuterinteressierten vom Parkplatz zur "Halle-Lujah", einer der großen Hallen, in denen Kräuter und Gewürze verarbeitet und verpackt werden. Denn hinter Sonnentor verbergen sich nicht mehr nur "Schlau-Kakao" und "Gute Laune-Tee", sondern auch ein Ausflugsziel, das vor allem in der wärmeren Jahreszeit ganze Busse voll Touristen anzieht.

Die Kräutergesellschaft wurde 1988 vom damals 23-jährigen Johannes Gutmann, der selbst auf einem Bauernhof im Waldviertel aufgewachsen ist, gegründet. Wenn er heute von seinen Anfängen erzählt, weiß er dabei, dass er es geschafft hat. Doch damals war das nicht so klar: "Aus der Not heraus habe ich das Unternehmen gegründet, weil ich arbeitslos war", erzählt Gutmann während er an einer Tasse "Frosch-im-Hals"-Tee nippt. "Angefangen habe ich mit drei Bio-Bauern aus der Region und habe vom Marketing bis zum Vertrieb alles selbst gemacht". Anfangs als Hirngespinst eines "Verrückten mit Lederhose" belächelt, ist Sonnentor mittlerweile eine international bekannte Bio-Marke mit einer Tochterfirma in Tschechien und Franchise-Unternehmen in ganz Österreich, Deutschland und der Schweiz. Die berüchtigte Lederhose hat Gutmann übrigens zuhause auf dem Dachboden gefunden. Er trägt sie oft und gerne, sie erinnere ihn immer daran, wo er herkommt, erzählt er.

Verwurzelung in der Heimat

Regionalität und die Verwurzelung in der Heimat spielen bei Sonnentor auch sonst eine große Rolle. "Mir ist es wichtig, der Gegend, aus der ich komme, viel zurückzugeben", sagt Gutmann. Ein Beispiel dafür ist die "Halle Über Drüber", auf die die Sonnentor-Familie, wie Gutmann sein Unternehmen nennt, besonders stolz ist. "Die Halle stammt von der Elektrik bis zu den Regalen komplett aus dem Waldviertel", erzählt Josefine Hofbauer-Hofmann gerade der Gruppe älterer Herrschaften, die soeben mit der Führung durch den Betrieb begonnen haben. Ein anerkennendes Murmeln geht durch die Runde. Zudem sei das Unternehmen sehr stolz auf die Steuern und Abgaben, die es leistet, betont Josefine.

Von einem Wandbild lächeln Oma und Enkel Zach auf die Besucher herab. "Das sind unsere Models, so wie alle anderen Bauern und Bäuerinnen die schon von Anfang an bei uns dabei sind", erklärt Josefine. Auch sie selbst hat früher als Bäuerin gearbeitet und kennt die Arbeit auf dem Feld nur zu gut. "Für Hannes war es immer schon wichtig, dass die kleinbäuerlichen Strukturen erhalten bleiben, deshalb wird auch so viel wie möglich direkt am Hof gemacht", erzählt Josefine. Manches wird am Hof bereits händisch verpackt, andere Kräuter und Gewürze kommen in großen Säcken nach Sprögnitz um hier gemischt und abgepackt zu werden.

Durch Glaswände kann man Sonnentor-Mitarbeiter beim Befüllen von kleinen Zellulose-Säckchen beobachten, die wie Plastik aussehen aber vollständig kompostierbar sind. Heute ist Chillipulver an der Reihe. "Wenn es jemandem zu viel wird mit den ganzen Gerüchen hier, dann sagt mir das bitte gleich", richtet sich Josefine an die Gruppe. Sie kann sich noch gut daran erinnern, wie es war, als sie hier zu arbeiten anfing: "Ich dachte nicht, dass ich es lange hier aushalten werde aber mittlerweile habe ich mich an die Gerüche gewöhnt".

Warum hier denn eine Apotheke stehe, fragt jemand aus der Gruppe und deutet auf ein großes Regal aus dunklem Holz, das mit etlichen kleinen Flaschen und Behältnissen gefüllt ist. Josefine erzählt, dass die ganze Einrichtung einer alten Apotheke beinahe auf dem Müll gelandet wäre, wenn Johannes Gutmann sie nicht zufällig entdeckt und mitgenommen hätte. Das restliche Mobiliar der Apotheke stellt nun die Einrichtung eines Sonnentor-Geschäftes dar, denn "der Hannes weiß, dass man nicht alles was alt ist gleich wegschmeißen muss", sagt Josefine. "Darum arbeiten ja auch wir Pensionisten noch hier und machen die Führungen", fügt sie mit einem Zwinkern hinzu.

In dem Moment erscheint der untypische Geschäftsführer auf einem Tretroller. Ob biologischer Anbau denn überhaupt massenfähig ist, fragt ihn jemand. "Es gibt Studien die dieses und Studien die jenes behaupten", antwortet Gutmann. Er glaube jedenfalls den Studien, die dafür sprechen, "denn konventioneller Landbau erzeugt Schäden und Folgekosten, die nicht in die Preise einberechnet werden, aber irgendwann und von irgendwem bezahlt werden müssen". Oder wie seine Oma sagte: "Wer billig kauft, kauft teuer". Der Nachhaltigkeits-Gedanke zieht sich durch das ganze Unternehmen: Von Photovoltaik-Anlagen am Dach über Tiefenbohrungen zur Raumbelüftung bis zur Wärmeerzeugung mittels Hackschnitzel wird versucht, den CO2-Ausstoß möglichst gering zu halten.

Neben dem Respekt vor der Natur ist es der Respekt vor den Mitmenschen, der zentral für die Philosophie des Unternehmens ist. Josefine führt die Gruppe weiter über das Gelände des Unternehmens. Sie deutet zu einem ein bisschen weiter entfernten Gebäude, vor dem sich ein Spielplatz befindet. "Das ist unser betrieblicher Kindergarten, wo Kinder von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ab einem Jahr betreut werden", erklärt sie. Außerdem gebe es für alle 250 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Sprögnitz vier Mal in der Woche gratis ein frisch gekochtes Mittagessen. "Nur am Freitag nicht, denn da hören alle zu Mittag auf zu arbeiten", freut sich Josefine.

Alle zwei Jahre wird von Sonnentor ein Gemeinwohl-Bericht herausgegeben, welcher auch von einer externen Stelle geprüft wird. "Darin machen wir deutlich, was wir alles mehr tun, als vom Gesetz verlangt wird", zeigt sich Gutmann sichtlich stolz. Er bedauert es, dass die Gemeinwohlökonomie nicht en vogue sei und weder an den Universitäten gelehrt, noch in der Politik praktiziert werde. "Würde die Regierung so wie wir arbeiten, dann würden wir schon längst ganz wo anders sein!" ärgert sich Gutmann. Warum es nicht mehr Unternehmen gebe, die sich am Gemeinwohl und nicht am Gewinn orientieren? "Ganz einfach, weil's eine Hack'n ist", antwortet Gutmann. Und vom Staat gebe es viel zu wenig Anreize dafür.

Gegen Ende der Betriebsführung gibt es Tee und verschiedene Kekse zu verköstigen. Welche Kekse die besten sind? Darüber will man sich nicht einigen. Aber es scheint für jeden etwas dabei zu sein, denn übrig bleibt nichts. Im Geschäft werden noch fleißig Mitbringsel für die ganze Familie gekauft, bevor es dann wieder hinaus in den kleinen Kräutergarten geht. Begleitet vom Duft von Colakraut, Schokominze und Pimpinelle spaziert die Gruppe zum Sonnentor-Gasthaus "Leibspeis" hinüber, dem ersten biozertifizierten Restaurant in Niederösterreich.

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