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Die getrennte Ostkirche

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ÖSTERREICH HAT EINE STARKE OSTTRADITION. - Orthodoxe Völker suchten beim Kaiser vor den Türken Schutz und Obdach. Sie fanden beides. Der serbische Patriarch Ar- senije Crnojevic ließ sich mit seinen Gläubigen auf kaiserlichem Gebiet nieder. Die Serben bauten hier ihre Existenz, Kirchen und Schulen auf. Die hier aufgelegten liturgischen Bücher finden heute noch in aller Welt Verwendung. Ähnlich verhält es sich mit den anderen orthodoxen Völkern, wie Rumänen und Ukrainern. Vor dem ersten Weltkrieg war der Kaiser von Österreich der Beschützer der ägyptischen Christenheit.

ABER HEUTE? — Österreich ist wieder das Tor zum Osten. Seine Wirtschaft sucht und baut die Kontakte nach dem Osten aus. Die Arbeitsgemeinschaft Ost hält laufend Kurse zur Pflege der Ostsprachen ab. Denselben Zweck verfolgen die Österreichischen Hefte für die Kultur, Wirtschaft und das Recht im Osten.

UND DIE KIRCHE? - Sie erfüllte ihre Aufgabe. Ein Bischof — Erzbischof Dr. Josef Stadler von Sarajewo — bearbeitete die Fragen der Ostkirche. Die Theologen rangen um die geistige Bewältigung der ostkirchlichen Fragen. Nach dem ersten Weltkrieg begründete Kardinal Piffl in Wien das ostkirchliche Apostolat CATHOLICA UNIO. Papst Pius XI. erhob diese Gründung zum Rang eines päpstlichen Werkes. Sein Sitz ist zur Zeit in Freiburg (Schweiz). Der Jesuitenpater A. Puntigam nahm in seiner Zeitschrift auch die ostkirchlichen Anliegen wahr.

DIE MENSCHHEIT WÄCHST ZU EINER FAMILIE ZUSAMMEN. - Der Nachrichtendienst und das Verkehrswesen bringen die Menschen entlegener Weltteile miteinander in Berührung. Die großen Sorgen der Menschheit werden in überstaatlichen und überkontinentalen Gemeinschaften erörtert. Das differenzierte Leben der industriellen Gesellsffiäff erfordert mannigfaltige Formen der Zusammenarbeit. Bei allen Unzulänglichkeiten wird hier doch manches Nützliche erreicht, manche Spannung entschärft und Unzufriedenheit behoben. Die Entwicklung geht auch an den getrennten Christen nicht spurlos vorüber. Sie sehen sich veranlaßt, gemeinsame Existenz- und Apostolatsfragen auch in Gemeinschaft zu beraten und zu erledigen. Das geschieht bereits in manchem Bereich.

DTE GETRENNTEN CHRISTEN MÜSSEN EINANDER WIEDER BEGEGNEN. — Der Riß zwischen Ost und West ist mehr als 1000 Jahre alt. Alle bisherigen Einigungsversuche scheiterten. Was durch 1000 Jahre auseinandergewachsen ist, kann nicht über Nacht zusammenwachsen. Wichtig aber ist, daß sich die Kluft nicht noch weiter vertiefe. Die Wiedervereinigung kann nur stufenweise erfolgen. Der Heilige Vater, ein intimer Kenner der getrennten Ostkirche aus seiner 20jährigen Tätigkeit im Osten, kennzeichnet diese Stufen als Annäherung, Zusammenarbeit und schließlich Wiedervereinigung. Man kann diese Stufen nicht überspringen. Wir befinden uns auf der Stufe der Annäherung. Nur beharrliches Gebet und eine auf weite Sicht ausgerichtete Arbeit können zum Erfolg führen.

DIE WIEDERBEGEGNUNG MUSS BEI DER JUGEND BEGINNEN. - Bei der Besichtigung der Universitätsstadt in Paris sagte ich mir: Nur so können Reibereien und Spannungen unter den Menschen verschwinden. Die 5000 Hochschüler aus 20 verschiedenen Staaten — darunter auch Österreicher — leben miteinander, lernen sich gegenseitig kennen und vertragen. Diese Jugendkontakte wirken sich später aus. Wenn sich die verantwortlichen Männer gegenseitig kennen und achten, dann müssen sich Mißhelligkeiten nicht zu Weltkatastrophen auswachsen. Die Franzosen taten noch etwas. Sie luden orthodoxe Theologen nach Straßburg und anderen Städten zum Studium der katholischen Theologie ein und gaben ihnen Freiplätze. Die Theologen von gestern sind längst führende Männer — eine Reihe Bischöfe — in ihrer Kirche geworden. Frankreichs Beispiel fand bei den anderen Nationen Nachahmung. Kardinal-Staatssekretär Pacelli — der gottselige Papst Pius XII. — bemühte sich, orthodoxen Theologen das Studium der katholischen Theologie in Rom zu ermöglichen.

ORTHODOXE THEOLOGEN STUDIEREN IN ÖSTERREICH KATHOLISCHE THEOLOGIE. - Vorigen Sommer fragte mich ein belgischer Benediktinerpater: „In Österreich studieren viele junge Griechen. Könnten nicht einige orthodoxe Theologen einen Freiplatz in Österreich bekommen?“ TpfllPre,. Frage überraschte, mich. Sie war ungewohnt. Ich konnte ihm nur in Aussicht stellen, die Frage in Österreich weiterzuleiten. Drei Monate später traf bereits ein orthodoxer PriesteT aus Griechenland zum Studium der katholischen Theologie in Österreich ein Es war ein Anfang gemacht. Inzwischen kamen mehrere weitere Anfragen von Bewerbern um die Gewährung eines Freiplatzes bei uns. Was tun? — Freiplätze kosten Geld, viel Geld. Und dennoch ist der Aufwand für die Universitätsstadt in Paris kaum ein Bruchteil der Weltkriegskosten für einen einzigen Tag. Freilich sind die Freiplätze eine kostspielige Angelegenheit, aber sie sind der Preis für die Wiedervereinigung der getrennten Ostchristen mit der katholischen Kirche. Der Preis ist die Opfer wert. Oder kommt er uns zu hoch vor?

ÖSTERREICH HAT EINE OSTKIRCHLICHE AUFGABE IM WELTKATHOLIZISMUS. - Österreich ist ein neutraler Staat. Das erste freie Land vor dem Eisernen Vorhang. Seine Schulen haben im Vorderen Orient einen guten Ruf. Davon können unsere Studenten berichten. Österreich weist den höchsten Prozentsatz an ausländischen Studenten auf. Daher ist auch das Interesse getrennter Osttheologen am Fachstudium der katholischen Theologie bei uns nicht verwunder-

lich. Dabei will ihnen der neugeschaffene ÖKUMENISCHE STUDIENFONDS durch die Sicherstellung von Freiplätzen an die Hand gehen. Die geistige Annäherung der getrennten Christen ist die Vorstufe für eine fruchtbare Wiederbegegnung. Diese Arbeit baut nicht auf Tagessensationen auf, sondern ist auf weite Sicht aus-gerichtet, aber von einer soliden Auswirkung.

DAS: OSTKIRCHLICHE APOSTOLAT IN ÖSTERREICH. - Frankreich, Holland und die Vereinigten Staaten

von Nordamerika haben Hunderttausende von Mitarbeitern am ostkirchlichen Apostolat. Österreich konnte nach einer längeren Unterbrechung erst nach dem Krieg diese Arbeit wiederaufnehmen. Dabei gilt als Grundsatz das Wort Papst Pius' XI. über die Ostkirche: „Auch den Katholiken hat manchmal der rechte Blick für ihre Pflicht gefehlt. Es mangelte an der nötigen Kenntnis und an der brüderlichen Liebe." Gelegentliche Pressebeiträge und Vorlesungen in der

Wiener Katholischen Akademie sowie die Vorträge der katholischen Bildungswerke im ganzen Bundesgebiet haben manches getan. Das Päpstliche Werk für die ostkirchliche Arbeit, Catholica Unio - eine Wiener Gründung —, wirbt mit ihrem Landespräsidenten Erzbischof Dr. Andreas Rohracher von Salzburg systematisch für dieses Apostolat um Verständnis und Mitarbeit der aktiven Katholiken. Sein Programai lädt alle freunde. der Ostkirche und Wiedervereinigung zur konkreten aufbauenden Mitarbeit ein.

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