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Das Salzburger Landestheater

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Mit dem Beginn der jetzigen Spielzeit war ein Direktionswechsel verbunden, also ein erhöhter Anlaß, Hoffnungen und Erwartungen an die neue Spielzeit — die sich nun bald ihrem Ende zuneigt — zu knüpfen. Als Nachfolger Peter Stanchinas, welcher mehr als fünf Jahre lang die Geschicke des Salzburger Landestheaters lenkte, wurde Fritz Klingenbeck, der Gründer des „Theaters für Vorarlberg“ und bisherige Direktor des Stadttheaters und der Kammerspiele Klagenfurt, damit betraut, auf dem vielleicht heißesten Boden, dem Landestheater neue Impulse zu geben. Klingenbeck, der somit das fünfte Theater in seiner vierzehnjährigen Theaterleiterlaufbahn übernommen hat, ist dafür bekannt, daß er stets mit Rasanz alles umzustürzen und nach seinen Ansichten und nach seinem Geschmack neu zu gestalten versteht. Genau vierzig neue Mitglieder brachte er in die neue Spielzeit mit, keine Sparte blieb verschont, Schauspiel und Operette wurden personell grundlegend erneuert, und nach Jahren wurde wieder offiziell ein Opernensemble mit einem fixierten Opernspielplan aufgebaut, nachdem in den letzten Jahren die Oper nur „illegal“ hatte gepflegt werden können.

Wenn allseits von dem „frischen Wind“, der seit dem letzten Herbst im Salzburger Landestheater weht, gesprochen nihd'ges'chnehfV'wifd5,3 so bezieht sich dies aber auch noch auf eine Reihe von Neuerungen, die Klingenbeck eingeführt hat: Abgesehen von dem pünktlichen Vorstellungsbeginn, lobt man, daß es ein „Verschmieren“ der Vorstellungen — auch bei der 25. Wiederholung — nicht gibt, darüber wacht Klingenbeck unermüdlich selbst mit seiner Anwesenheit an jedem Tag des Arbeitsjahres. — Das Theatergebäude erhielt erstmalig seit dem Bestand in goldenen Lettern die Aufschrift „Landestheater“, im Zuschauerraum wurden da und dort dem Publikum dienliche Bequemlichkeiten eingerichtet oder erneuert, die von Klingenbeck selbst redigierten Programmhefte erscheinen nun eigens für jede neue Inszenierung, im Foyer wurden monatlich wechselnde Ausstellungen Salzburger Künstler eingerichtet (was der Künstlerbund dem Intendanten Klingenbeck durch die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft bedankte), die Landbespielung wurde erweitert und die Schaffung der zweiten Bühne — der Kammerspiele — wurde gleich zum Spielzeitbeginn in Angriff genommen.

Da sich in Salzburg kein geeigneter Raum finden ließ und vor Beginn des neuen Festspielhauses nicht an den Bau eines eigenen Kammerspielhauses (für das die Pläne fertig vorliegen) gedacht werden kann, blieb als einzige Möglichkeit eine vorhanglose Bühne im neuen städtischen Kongreßhaus im Mirabellgarten übrig. Klingenbeck hat sich für diesen Notbehelf eine reizvolle Lösung erdacht, eine Art „Wintergartenbühne“ zu schaffen, in der die alten Bäume des Parkes beleuchtet (durch die riesige Glaswand, welche die Bühnenrückwand ersetzt, sichtbar) mitspielen. Auf die Dauer ist aber diese Behelfsbühne keine befriedigende Lösung, und so bleibt der Bau einer eigenen Kammerspielbühne das Sorgenkind Nr. 1 unter Klingenbecks Plänen für Salzburg.

Das Schauspiel eröffnete seinen diesjährigen Reigen mit einer gelungenen Inszenierung von Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ durch den jungen Nachwuchsregisseur Helmuth Matiasek, der auch O'Neills Drama „Ein Mond für die Beladenen“ und „Das Tagebuch der Anne Frank“ erfolgreich gestaltete. Besonders bemerkenswerte Aufführungen waren Max Mells dramatische Dichtung „Die Sieben gegen Theben“ und — nach 33 Jahren — eine Neuinszenierung von Hofmannsthals „Das Salzburger große Welttheater“ durch Raoul Aslan, mit Lotte Medelsky als Frau Welt, in dem eindrucksvollen Bühnenbild von Wolfgang Voll-hard, dem neuen Ausstattungschef, der dem Bühnenbild in der neuen Spielzeit seine eigenwillige Handschrift gibt. — Die beiden letzten Inszenierungen dieser Spielzeit werden Anouilhs — in Salzburg noch nicht gezeigte Komödie — „Colombe“ und Molieres Komödie „Der Geizige“ sein. Molieres Komödie ist auch für Aufführungen im Heckentheater des Mirabellgartens gedacht, so es der Wettergott billigt. — •Zahlreiche Gastspiele prominenter Bühnen, wie des Burgtheaters („Apostelspiel“), des Bayrischen Staatsschauspiels („Nachtasyl“) und des Tourneetheaters „Der grüne Wagen“ („Bacchus“, mit Werner Krauß und Oscar Werner; „Hamlet“, mit O. Werner und G. Kückelmann), schufen eine freudig begrüßte Abwechslung im diesjährigen Spielplan.

Die Operette mußte sich — auf Grund der Serienaufführungen von 25 bis 30 Vorstellungen — mit nur fünf Premieren begnügen. Die Oper brachte insgesamt sechs Premieren heraus, beginnend mit „Carmen“ (24mal), dann eine Inszenierung von Bernhard Paumgartners komischer Oper „Rossini in Neapel“. Es folgten 20 Aufführungen „Der Evangelimann“ und schließlich, anläßlich der Mozart-Woche, Ende Jänner. „Die Zauberflöte“, bisher 18mal ausverkauft, und „der“ Opernerfolg der Saison, der nicht zuletzt der Inszenierung (als Volksstück, wie man es bei Schikaneder vermutet) durch den jungen Otto Schenk (gegenwärtig im Theater in der Josefstadt) zu danken ist. Verdis „Traviata“ verdankt vor allem Mimi Coertse und Murray Dickie von der Wiener Staatsoper die begeisterte Aufnahme dieser Neuinszenierung unter Gustav Wiese, dem Opernchef und seit einigen Monaten auch künstlerischen Leiter des verwaisten Mozarteumorchesters. (Wiese war bereits in Brünn Opernchef Klingenbecks und wurde von diesem aus Weimar vom Nationaltheater nach Klagenfurt geholt.) — Eines der letzten Ereignisse war eine Ballettpremiere mit Tschaikowskys „Nußknackersuite“, der Klingenbeck eine eigenwillige Inszene gab, ferner mit Rosalia Chladeks „From morning to mid-night“ und schließlich mit dem „Zaüberladen“ von Rossini-Respighi in der Choreographie von Hanna Kammer.

Alles in allem werden es 28 Premieren sein, die das Salzburger Landestheater in der Spielzeit 1957/58 aufzuweisen hat. Obwohl die Spielzeit aus verschiedenen Gründen erst etwas verspätet beginnen konnte, werden gegenüber dem Vorjahr um genau 50 Vorstellungen mehr stattfinden.

Die Nachbarschaft der Salzburger Festspiele kann für das Landestheater ebensosehr durch Erzeugung von Minderwertigkeitskomplexen, wie auch durch, anmaßendes Ueberspielen derselben zur Gefahr werden. Hier stets das richtige Maß zu finden und mit gesundem Selbstbewußtsein den rechten Abstand zu erkennen, gehört zu den — von Fritz Klingenbeck oft betonten und empfindsam beobachteten — heikelsten Aufgaben des Landestheaters Salzburg.

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