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Die verdrängte Schöpfungslehre

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Gilt die Schöpfungslehre im Zeitalter des Darwinismus noch? Oder läßt die Kirche sie verschämt beiseite? Die Salzburger Hochschulwochen stellen heuer ihre Vorträge unter das Leitthema „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde" .

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Gilt die Schöpfungslehre im Zeitalter des Darwinismus noch? Oder läßt die Kirche sie verschämt beiseite? Die Salzburger Hochschulwochen stellen heuer ihre Vorträge unter das Leitthema „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde" .

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Man muß auf -ein fast völliges Verschwinden der Schöpfungslehre in der Theologie verweisen. Symptomatisch dafür ist, daß in zwei Summen moderner Theologie die Schöpfungslehre als Glaubensinhalt gestrichen und durch vage existenzphilosophische Erwägungen ersetzt ist: in dem 1973 erschienenen ökumenischen „Neuen Glaubensbuch" , das J. Feiner und L. Vischer herausgegeben haben; in der 1 984 in Paris veröffentlichten Fundamentalkatechese „La foi des catholiques" (Glaube der Katholi-

ken). In einer Zeit, in der wir das · Aufbegehren der Schöpfung gegen das Werk des Menschen und damit die Frage nach den Grenzen und den Maßstäben unseres Machens von der Schöpfung her als zentrales Problem unserer ethischen Verantwortung erfahren, muß dies als befremdlich genug erscheinen.

Trotzdem ist es nach wie vor verpönt, „Natur" als eine sittliche Instanz anzusehen. Eine von irrationaler Angst geprägte Reaktion gegen die Technik besteht weiterhin zusammen mit der Unfähigkeit, in der körperlichen Welt eine geistige Botschaft zu erkennen. ' Natur erscheint nach wie vor als ein an sich irrationales Gebilde, das • allerdings mathematische Strukturaufweist, die man technisch auswerten kann.

Daß die Natur mathematische Vernunft hat, ist sozusagen handgreiflich geworden; daß in ihr sich auch moralische Vernunft ansage, wird als metaphysische Fabelei abgetan.

Der Ausfall der Metaphysik geht mit dem Ausfall der Schöpfungslehre Hand in Hand. An ihre Stelle tritt eine Evolutionsphilosophie (die ich von der naturwissenschaftlichen Evolutionshypothese unterscheiden möchte), die der Natur Regeln entnehmen will, wie Lebensoptimie???? rung durch Steuerung der weiteren Entwicklung möglich werden könne. Die'Natur, die auf diesem Weg zum Lehrmeister werden soll, ist aber eine blinde Natur, die unbewußtin Zufällenkombiniert, was der Mensch nun bewußt nachahmen soll.

Sein Verhältnis zur Natur (die ja dann keine Schöpfung ist) bleibt dasjenige des Machens und wird nicht zu dem des Vernehmens. Es bleibt ein Verhältnis des Beherrschens, das auf der Anmaßung beruht, rationales Kalkül könne so gescheit sein wie die „Evolution" und daher die Welt in der Weise höher führen, in der es der Weg der Entwicklung bisher ohne den Menschen getan habe.

Das Gewissen, auf das man sich nun beruft, ist seinem Wesen nach taub, wie die Lehrmeisterin Natur blind ist: Es berechnet, welches Handeln die größten Optimierungschancen enthält. Das kann (und müßte nach der Logik des Ausgangspunktes) kollektiv geschehen, dann braucht man aber eine Partei, die als Organ der Geschichte die Evolution in die Hand nimmt und die absolute Unterordnung des einzelnen verlangt. Oder aber es geschieht individualistisch; dann wird Gewissen zum Ausdruck für eine Autonomie des Subjekts, die im großen Weltgefüge nur als absurder Hochmut erscheinen kann.

Daß keine dieser Lösungen weiterhilft, ist eigentlich evident, und

darauf beruht die tiefe Verzweiflung der heutigen Menschheit, die sich hinter dem amtlich zur Schau getragenen Optimismus verbirgt. Insofern besteht doch weithin' ein stilles Wissen, daß wir eine Alternative bräuchten, die aus den Sackgassen unserer Plausibilität herausführt, und vielleicht gibt es mehr, als wir denken, auch eine stille Hoffnung, ein erneuertes Christentum könnte diese Alternative sein.

Sie kann aber nur ausgearbeitet werden, wenn die Schöpfungslehre neu entfaltet wird. Dies sollte daher als eine der dringendsten Aufgaben der heutigen '.fheologie angesehen werden. Wir müssen wieder sichtbar machen, was es heißt, daß die Welt „in Weisheit" geschaf- , fen wurde und daß Gottes Schöpfungsakt etwas von Grund auf anderes ist als das Auslösen eines „ Urknalls".

Nur dann können auch Gewissen und Norm wiederindas rechteVerhältnis zueinander treten. Denn dann wird sichtbar werden, daß Gewissen nicht ein individualistisches (oder kollektivistisches) Kalkül, sondern ein Mitwissen mit der Schöpfung und durch sie mit Gott, dem Schöpfer, ist. Dann wird wieder erkennbar, daß die Größe des Menschen nicht in der kläglichen Autonomie eines sich zum Alleinherrscher erklärenden Zwerges besteht, sondern darin, daß sein Wesen transparent ist auf die höchste Weisheit, auf die Wahrheit selber hin. Dann wird sichtbar, daß der Mensch um so größer ist, je mehr die Hörfähigkeit für die tiefere Botschaft der Schöpfung, für die Botschaft des Schöpfers in ihm reift. Und dann wird sichtbar, daß der Einklang mit der Schöpfung, deren Weisheit uns zur Norm wird, nicht Begrenzung unserer Freiheit bedeutet, sondern Ausdruck unserer Vernunft und unserer Würde ist.

Auszug aus einem Vortrag des Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre bei der Be­ gegnung mit Vorsitzenden der Glaubenskommissionen der Bischofskonferenzen in Europa in Laxenburg bei Wien im Mai 1989.

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