FPÖ: Wieder auf dem Vormarsch?
DISKURS"Volkskanzler" Kickl: Den Heiland spielen
Provokation ist seit jeher das Kerngeschäft von Herbert Kickl. Nun verspricht er auch noch "Erlösung“. Dämonisierung hilft ihm, Warnung und Entzauberung braucht es gleichwohl.
Provokation ist seit jeher das Kerngeschäft von Herbert Kickl. Nun verspricht er auch noch "Erlösung“. Dämonisierung hilft ihm, Warnung und Entzauberung braucht es gleichwohl.
Es ist etwas ins Rutschen gekommen. Dieses Gefühl, diese Ahnung, die viele seit Langem beschleicht, hat dieser Tage reichhaltige Nahrung erhalten: international durch den absehbaren Durchmarsch Donald Trumps in Richtung Präsidentschaftswahlen im November; auf europäischer Ebene durch die Aussicht auf einen Höhenflug der rechtspopulistischen Europa-Feinde beim Urnengang im Juni; in Deutschland durch die (gekaperten) Bauernproteste sowie ein publik gewordenes Geheimtreffen von Deportationsfantasten; und in Österreich durch die anhaltende Hilflosigkeit gegenüber Herbert Kickls radikalisierter FPÖ.
Vom blauen Scharfmacher und Chefideologen ist man seit Jahrzehnten vieles gewohnt: Die Provokation gehört gleichsam zum Kerngeschäft des langjährigen Redenschreibers und nunmehrigen Redenhalters Kickl. Ob es um den einstigen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde ging („Dreck am Stecken“) oder um den amtierenden Präsidenten der Republik („greise Mumie in der Hofburg“): Die sprachspielerische Menschenverachtung war und ist bei ihm Programm.
Längst sind diese Attacken freilich Teil einer umfassenden Erzählung geworden: von Knechtung und Befreiung, von bösen Mächten und rettenden Lichtgestalten, von „denen da oben“ und „uns da unten“. Und die Pandemie fügte dieser Unterdrückungs- und Befreiungserzählung noch zahlreiche, grell ausmalbare Kapitel hinzu.
Die Fabel von der „Einheitspartei“
Jörg Haider bezeichnete sich 1999 noch als „Schutzpatron“ derer da unten in diesem vermeintlichen Kampf. Herbert Kickl versteigt sich mittlerweile schon dazu, den Heiland oder Messias zu mimen. Kaum anders ist zu deuten, was der FPÖ-Chef vergangenes Wochenende beim Neujahrstreffen der Partei im steirischen Premstätten von sich gab. Man kämpfe gegen eine „unheilige Allianz“ von „Einheitspartei“, „Systemmedien“ und einzelnen politischen Köpfen, die man schon auf „Fahndungslisten“ führe, fabulierte Kickl vor johlender Menge. Doch: „Erlösung ist in Sicht.“ Er selbst werde gleichsam als blauer Herkules „dieses schlangenartige Gebilde“, diese „politische Hydra“ zermalmen und „den Stier zu Boden ringen“. Und in den Geschichtsbüchern werde dereinst nachzulesen sei, dass das „Abstreifen der Ketten durch die Bevölkerung 2024 in der Schwarzl-Halle begonnen hat“!
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