Landwirte legen Berlin lahm: Die Wutbauern und ihre erfrischenden Vibes

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Über die Wutbauern, Prunk und Protz sowie die "Beiträge", die der deutsche "Porsche-Minister" von jedem Bürger einfordert.

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Über die Wutbauern, Prunk und Protz sowie die "Beiträge", die der deutsche "Porsche-Minister" von jedem Bürger einfordert.

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Der Anderl. Er hat den Hof seines alleinstehenden Onkels nach dessen Tod übernommen. Von diesem Onkel erzählt man sich, er wäre zu wählerisch gewesen bei den Frauen. Ja, und als er das dann nicht mehr war, hätte er keine mehr gefunden, die sich „das antut“.

Das Aufstehen um 5.30 Uhr. Sieben Tage in der Woche. Die körperliche Arbeit. Die Verantwortung für die Tiere. Die Abhängigkeit vom Wetter. Das Heuen zu einer Zeit, in der die anderen am Badesee liegen. Ja, und auch die Tatsache, dass der Berufsstand des Bauers, der Bäuerin von so manchem regelrecht belächelt wird. Als der Anderl vor 20 Jahren den Hof übernommen hat, da dachte ich: Der Kerl ist noch jung, der findet bestimmt eine, die das mit ihm durchzieht. Zwar gab es Schönere, aber er war lustig, gewieft und unsagbar fleißig. Doch der Anderl ist ebenfalls allein geblieben. Ich werde den Gedanken nicht los, dass er keine gefunden hat, die sich „das antut“. Ihn wiederum scheint sein Beruf zu erfüllen. Weil er gerne in der Natur ist, Tiere mag, keinen Luxus braucht, das Erbe seines Onkels bewahren will.

Als ich mir die Rede des deutschen Finanzministers am Brandenburger Tor angeschaut habe, dachte ich an den Anderl. „Alle müssen ihren Beitrag leisten“, verteidigte FDP-Chef Lindner die Subventionskürzungen für Agrardiesel. Ausgerechnet Christian Lindner. Der mit dem schwarzen Porsche 911 SC. Der, der diese Prunk-und-Protz-Hochzeit auf Sylt gefeiert hat, literweise Champagner ausschenken ließ.

Ich finde, dass solche wie der Anderl längst ihren Beitrag leisten. Sie fügen sich, halten Haus und Hof zusammen, schuften bei Wind und Wetter im Freien, stehen nachts auf, wenn eine Kuh kalbt, nehmen es hin, wenn der Nachbar von seiner Fernreise schwärmt. Sie arbeiten wie Topmanager, nur ohne deren Gehalt, ohne Porsche, Protz, Prunk, Champagnergelage. Der Anderl und seine Gleichgesinnten (schon klar, nicht alle) sind auf staatliche Subventionen angewiesen. Würden sie sich auf das Milchgeld (oder Christian Lindner) verlassen, wären sie verlassen.

Diese Wutbauern sind eine erfrischende gesellschaftliche Entwicklung. Solche vibes waren bitter nötig.

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