Ball am Wiener Kaiserhof. Barockes Interieur, fesche Offiziere, schöne Frauen. Seine Majestät betritt unter Walzerklängen den Saal, lächelt wohlwollend den Ballgästen zu, wobei das besondere Augenmerk einer polnischen Baronin gilt, die ehrfurchtsvoll in Kauerstellung verharrt. Just in dem Augenblick, da sich der Landesherr dem anmutigen Kind aus dem nordöstlichen Kronland zuwendet, reißt die Perlenkette der Baronin und die glitzernden Kü-gelchen rollen zu Boden. Der Monarch verliert ob dieser Situation keineswegs die Contenance, sammelt die Perlen eigenhändig wieder ein und übergibt
Noch vor einigen Jahren konnte der Durchschnittsbürger mit dem Begriff „Friaul” kaum etwas anfangen. Und seit 1976 assoziiert man automatisch „Erdbeben”, eine Naturkatastrophe, die deshalb so stark in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gedrungen ist, weil sie nicht tausende Kilometer entfernt, sondern knapp zwei Autostunden von der österreichischen Grenze stattgefunden hat. Ansonsten ist diese Landschaft Dekoration für eine nicht allzu bequeme Autostraße, die einen in die Zentren des italienischen Massentourismus führt. Bestenfalls gibt es für die Bewohner grenznahen Gebietes noch die Möglichkeit, Schuhe oder Lederwaren billig zu erstehen, in Udine oder in den gesichtslosen Supermärkten, die wie spätkapitalistisches Unkraut neben den Erdbebenruinen aus dem Boden schossen.