In der Tschechoslowakei, wo sonst der politische Witz die Volksreaktion auf schlechte Zeiten ist, scheint den Leuten jetzt der Humor vergangen zu sein. Erklärung dafür findet man in einem derzeit kursierenden Witz: Ein Rabe sitzt auf einem Baum, ein Stück Brot im Schnabel — Käse gibt es gerade nicht. Traditionsgemäß erscheint der Fuchs und lobt des Raben Stimme. Der Vogel aber kennt seinen La Fontaine. Er klemmt das Brot unter den Flügel und beginnt dann erst zu krächzen. Der Fuchs macht einen zweiten Versuch: „Ich habe gehört“, sagt er, „Sie könnten wunderbar fliegen, Herr Rabe!“ Der Rabe dreht ein paar Runden, nimmt aber zuvor das Brot wieder in den Schnabel. Plötzlich sagt der Fuchs: „Wissen Sie, daß das ganze Volk für die Politik der Partei begeistert ist?“ Der Rabe lacht laut auf, der Fuchs fängt das fallende Stück Brot. — Moral: Wer über die Politik der Partei lacht, verliert sein Brot.
Gibt es das oft, daß ein Pole unter den Hitler-Deutschen differenziert? Unter den SS- und Gestapobestien, die in Polen nach dem 1. September 1939 das vielleicht grausamste Inferno in der Geschichte der Menschheit ‘anrichteten?Barbara Ppska, die Verfasserin des , autöbipgraptiisd) .Buches. eip Leben ist anders als Deins“, ist Polin und lebt heute in Bremen. Während der nazistischen Okkupation verliebt sie sich in einen Deutschen. Sie schwankt nun zwischen der Pflicht ihrer Heimat gegenüber, die eine derartige Diebe als Verrat än- sieht, und der Neigung zu eben jenem
Der tschechische Romancier Milan Kundera hat einmal gesagt, daß Haft und Kerker zur Lebenstotalität des Schriftstellers in einem diktatorischen Staat gehörten. Sieht man sich die Biographien namhafter tschechischer und slowakischer Schriftsteller daraufhin an, bestürzt die erschreckend aktuelle Wahrhaftigkeit, die Kunderas Ausspruch innewohnt. Die Praktiken des stalinistischen Terrors der fünfziger Jahre sind einem breiteren Leserpublikum — verweist man nur auf Alexander Sol-schenizyn — inzwischen längst zugänglich gemacht; Zeugnisse aus der Nachkriegs-Tchechoslowakei finden sich jedoch selten. In deutscher Übersetzung ist jetzt der Bericht aus einem stalinistischen Arbeitslager der CSSR erschienen: Jifi Muchas „Kalte Sonne".
Die Schriftsteller in der CSSR gehen offensichtlich noch härteren Zeiten entgegen als bisher. Die Liquidierung aller noch existierenden Künstler- und Schriftstellerverbände in Prag und Preßburg scheint jetzt unmittelbar bevorzustehen.
In den letzten Wochen und Monaten worden die italienischen Massenmedien von einer beträchtlichen Unruhe erfaßt: Der Präsident des staatlichen italienischen Fernsehens RAI trat zurück; das Turiner FIAT-Blatt „La Stampa“ wurde über eine Woche lang bestreikt und konnte nicht erscheinen. Gegen das KP-Blatt „L'Unitä“ bereitet die römische Staatsanwaltschaft gegenwärtig einen Prozeß wegen Veröffentlichung falscher Nachrichten vor; Francesco Tolin und Piergiorgio Bellocchio, zwei linksextreme Publizisten, wurden jeder zu über einem Jahr Gefängnis verurteilt. Das Urteil gegen Bellocchio fällte der Mailänder Strafgerichtshof. Für das Verständnis der heutigen Situation, in der sich Italien nach der Streikserie des sogenannten „Heißen Herbstes“ befindet, hat dieses Urteil gewissermaßen exemplarische Bedeutung.
Die Verfolgung des Geistes hat wieder einmal begonnen; oder genauer: sie dauert an. Dieses traurige Phänomen findet sich nach der Liquidierung der tschechischen Künstlergewerkschaft und der Hetzjagd auf Alexander Solschenizyn neuerdings, jedoch nicht ausschließlich in den totalitären Staaten wie der CSSR oder der Sowjetunion. Auch in parlamentarischen Demokratien wie Italien oder Frankreich stößt der Andersdenkende, der sogenannte Abweichler, auf erbitterten Widerstand.
Mit der Kaltstellung dreier namhafter ZK-Mitglieder — es handelt sich um Rossana Rossanda, Luigi Pintor und Aldo Natoli — nahm innerhalb der kommunistischen Partei Italiens eine Auseinandersetzung ihr Ende, die bereits seit dem Frühjahr dieses Jahres in Zusammenhang mit der Zeitschrift „II manifesto" schwelte.„H manifesto“, das theoretische Sprachrohr der sogenannten „Neuen Linken“ innerhalb der KPI, ist in letzter Zeit zum begehrten Kaufobjekt an den italienischen Zeitungskiosken geworden, ganz zum Unwillen der Führungsgruppe der KPI, der besonders die kompromißlose Kritik