Bei der Uraufführung im Jahre 1972 wurde Peter Turrinis „Sauschlachten” als realistische Beschreibung der österreichischen Volksseele mißverstanden. Der Skandal war vorprogrammiert. Aber von Bealis-mus ist dieses wüste Pamphlet so weit entfernt wie sein Gegenstück, der Löwinger „Bauern”-Schwank.Karl Welunscheks Inszenierung im Ensembletheater versetzt die bluttriefende Parabel vom Bauernsohn Volte (Heinz Weixelbraun), der die Bestialität seiner Umgebung mit Grunzen beantwortet und daher gnadenlos abgeschlachtet wird, atmosphärisch zurück in die miefigen fünfziger Jahre.Man
Eine „parodierende Posse” nennt Nestroy sein frühes Stück „Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab”. Aber um die Wahrheit zu sagen, viel von einem ordentlich gebautem Stück hat es nicht; und schon gar nicht ist es ein „eigenständiges Künstlerdrama”, wie das Programmheft meint. Aber das tut seinem Witz, seinen brillanten Dialogen und seiner scheinbar zeitlosen Gesellschaftsanalyse keinen Abbruch.In der Inszenierung von Ilse Scheer im Jura Soyfer Theater am Wiener Spittelberg sprüht dieses selten gespielte Jugendwerk Funken und Pointen, daß es eine Freud' ist. In der Rolle des
Wenn Studenten der Hochschule für Schauspielkunst Berlin sich für ihren Abschluß ausgerechnet Goethes Faust erwählen, sollte man eigentlich gewarnt sein. Aber alles was recht ist: Der Tragödie Erster Teil wurde zum despektierlichen, irrlichternden Schwank!Die außerordentlich begabte Bande konnte sich offenbar nicht einigen, wer was spielt, und so spielen eben alle alles; man gewöhnt sich daran. Seriöse Interpretation hin oder her -Regisseur Piet Drescher verzichtete auf einschlägige Ambitionen und verlegte sich konsequent aufs Komische - und wurde fündig. Stellenweise gerät die
Mittlerweile ist Ulrich Bechers und Peter Preses' „Der Bockerer" in den Rang eines identitätsstiftenden Nationalstücks aufgestiegen und der Fleischhauer aus der Wiener Panigl-gasse eine Paraderolle des österreichischen Volkstheaters. So ein Schmankerl konnte sich Josefstadt-HausherrOtto Schenk selbstverständlich nicht versagen und mit einer gewissen Bangnis erwartete man vom genialen Outreur das scheinbar Unausweichliche. ,.Aber statt exzessiver Komödiantik bescherte Otto Schenk dem perplexen Publikum eine unerhört dichte Charakterstudie, beinahe überreich an Nuancen und
Nicht gerade taufrisch sind Pina Bauschs „Nelken- mit ihren zehn Jahren und „Iphigenie auf Tauris-oder „Orpheus und Eurydike-, die zwei Neueinstudierungen des Wuppertaler Tanztheaters hätten hervorragend ins diesjährige Antikenkonzept der Wiener Festwochen gepaßt - aber wunderhübsch ist dieser Blumenreigen noch immer.Auf der Bühne des Volkstheaters erblüht ein Teppich von unzähligen rosa Nelken, Richard Tauber singt mit unnachahmlichem Schmelz „Schön ist die Welt- und das Publikum schwelgt für einen Moment in diesem Bild von Sehnsucht und Schönheit und ahnt, daß es so nicht
Man durfte einigermaßen gespannt sein, wie Robert Quitta, bekannt durch seine Vorliebe für exzentrische Spielorte und als originellster Theatermacher der freien Szene gehandelt, mit den Verhältnissen im Wiener Volkstheater zurecht kommen würde. Und siehe da, der intellektuelle Anarchist entpuppte sich als biederer Volksbildner.Erhellende neue Erkenntnisse über das wiedererwachte Religionsbedürfnis vermag die satirische Sekten-Revue .Julian und die Götter" allerdings nicht zu vermitteln. Dagegen hat Quitta den mangelnden Tiefgang in der Behandlung seines Themas durch Quantität
H. C. Artmanns Version von „Der zerbrochene Krug" (nach Heinrich von Kleist) transponiert die Komödie ins Niederösterreich des frühen 19. Jahrhunderts. Bei diesem Ortswechsel verliert sie zweifellos an politischem und philosophischem Gewicht - um dafür an Sprachwitz und unangestrengter Leichtigkeit zu gewinnen.Die Uraufführung am Volkstheater (eigentlich die Übernahme der Produktion des Volkstheaters in den Außenbezirken) bescherte dem Publikum ein Novum: den Klassiker als graziösen, doppelbödigen Bauern-schwank. Artmann bekundet unverhohlen Mitleid mit dem Dorfrichter Adam und
So kulinarisch präsentiert sich das Künstlerhaus nicht alle Tage: den Wänden entlang niedrige Diwans, persische Läufer, Messingplatten mit köstlichem Sesam- und Pistaziengebäck. Auf der Bühne ein altertümlicher Webstuhl und ein distinguierter Greis am Schreibtisch (Yenuda Fuchs): „Karl Marx in Algier" (Inszenierung Robert Quitta).Das Publikum, anfangs mit Tratschen, Naschen undOrdnen derGlied-maßen beschäftigt, lauscht andächtig den leidenschaftlichen Ausführungen über die Doppelnatur der Ware und die Dialektik von absoluter und relativer Wertform, schließlich -
Gegen den konsequenten Boulevard-Spielplan - hauptsächlich angelsächsischer Provenienz - des Graumann Theaters läßt sich im Prinzip wenig einwenden. Warum auch sollten ausgerechnet die Kleinen, einem ungeschriebenen Gesetz zufolge, für ambitioniertes, innovatives Theater zuständig sein. Aber selbst im Buhlen um Publikumsgunst gibt es eine imaginäre Schmerzgrenze und „Affairen" von Graham Swannell ist weit darunter angesiedelt.Die vier Einakter zum Thema Ehebruch reproduzieren gnadenlos abgestandene Klischees aus der Geschlech-terkampfkiste, derzufolge die Frauen, sexbesessen und
Daß Boris Vians 1947 entstandene Anti-Kriegs-Farce „Alle in die Grube” einmal zu schockieren vermochte, ist kaum nachzuvollziehen. Aber irritierend ist sie nach wie vor. Seiner radikalen pazifistischen Einstellung gelten alle gleich: Die bösen Nazi, die braven Ami - allesamt außer Rand und Band geratene Kleinbürger und wie die Fliegen angezogen vom bestialischen Kadavergestank im Hause eines französischen Abdeckers (Horst Heiß). Das Jura Soyfer Theater in Wien spart nicht mit drastischen Mitteln um den Hautgout recht anschaulich zu machen. Mit Erfolg, im Publikum breitet sich
Reinhard P. Gruber hat als Spezialist für alles Steirische ein scheinbar unerschöpfliches ethnologisches Interesse an seinem Forschungsobjekt. Aber Spezialisten haben naturgemäß ein eingeschränktes Gesichtsfeld und so faszinieren den Autor weniger die realen Verhältnisse als die einschlägigen Klischees., Aus dem Leben Hödlmosers”, vom Wiener Ensemble im Rabenhof dramatisiert, erzählt also den exemplarischen Lebensweg des exemplarischen steirischen Bauern Franz Josef Hödl-moser und seinen schröcklichen Untergang. Das ist amüsant, skurril und manchmal auch komisch, aber wirklich
Die in der Theater m.b.H. erstaufgeführten Einakter „Tetom und Tuba” von Libuse Monikova und „Bottoms Traum” von Urs Widmer entstanden als Auftragsarbeiten. Daran mag es liegen, daß sie ohne rechtes inneres Bedürfnis geschrieben scheinen. In „Tetom und Tuba” konfrontiert Monikova das aus Nestroys „Häuptling Abendwind” bekannte exotische Personal mit einem Ethnologen namens Sigmund, der Eingeborene wie Zuschauer mit den einschlägigen Theoremen von Freud, Lacan und Levi-Strauss malträtiert. Zu guter Letzt wird er verspeist - zur allgemeinen Erleichterung des Publikums.Sich
Nach einer halben Stunde schwirrt der Kopf und Resignation stellt sich ein: Dieses Tohuwabohu sollte sich jemals aufklären? Aphra Behns brillante Restaurationskomödie „Liebe, Lust und Lüge oder: Die falschen Kurtisanen”, an sich auf Verwirrung, Verwechslung und erotische Intrige angelegt, braust im Theater in der Drachengasse in Wien in einem so gnadenlosen Höllentempo daher, daß den Zuschauern fast die Sinne schwinden.Es war ein teuflischer Einfall von Beverly Blankenship (Inszenierung), Personal einzusparen und sechs Schauspieler 12 Rollen spielen zu lassen. Auf- und Abtritte,
Manchmal finden sie tatsächlich statt, die verheißenen Theaterwunder. Ariane Mnouchkines Atriden-Zyklus, als Gastspiel im Wiener Messepalast, ist so ein rares Ereignis. Ein Glücksfall, in dem sich hoher, artifizieller Kunstanspruch und rauschende Sinnlichkeit vereinigen.Es war ein dramaturgisches Meisterstück, Euripides' selten gespieltes Fragment „Iphigenie in Aulis” der dreiteiligen „Orestie” des Aischylos voranzustellen. So erst erschließt sich das ganze Ausmaß tragischer Verkettung von Kindes-, Gatten- und Muttermord: Die Opferung der Iphigenie setzt mit unausweichlicher
Das soll Kafka sein? In was für eine putzige Märchenwelt sind wir da im Konzerthaus-Theater Wien geraten? Diese Aufführung des Kunstvereins „Gegenspielplan” von Franz Kafkas „Schloß” (in der Bearbeitung von Max Brod) wird bei gestandenen Kafkalogen vermutlich mißbilligendes Kopfschütteln hervorrufen: Nicht ein Hauch von metaphysischer Bedrohlichkeit ist zu spüren.Die Figuren stecken in labbrigen, fleischfarbenen Trikots, mit drolligen Wollperücken auf dem Kopf und wirken, als wäre dem Marionettenmacher die Füllung ausgegangen (Kostüme Sylvia Hiel). Der Landvermesser K.
Vielleicht lag es an vorweihnachtlichen Terminüberlastungen, daß sich im Wiener Schauspielhaus zum „Fest für Konrad Bayer" nur ein schütteres Häufchen Interessierter einfand. Konrad Bayer, legendäres Mitglied der legendären „Wiener Gruppe", die in den fünfziger Jahren das konservative Wien provozierte, schied mit 32 Jahren freiwillig aus dem Leben und wäre heuer 60 Jahre alt geworden.Ihm zu Ehren gestalteten die Auslandsösterreicher Wolfram Berger (Schauspiel) und Uli Scherer (Musik) ein hochkarätiges literarisch-musikalisches Programm. Wolfram Berger ist ein
Ein „ordentliches" Theaterstück ist „Ausgeliefert. Sex, Sucht und Dramentechnik" wohl nicht. Eher ist dem Grazer Autor Günter Eichberger (Jahrgang 1959) sein Spieltrieb durchgegangen. Unverfroren wirbelt er verschiedene Genres durcheinander, montiert die krause Handlung mit Gustav Freytags „Dramentechnik" und läßt die Rollen aus der Rolle fallen. Das Krankenhaus ist ein Gefängnis, oder nein, doch ein Bordell. Der Primär ist der Irrenwärter, nein, doch nicht, sondern ein Geheimdienstagent. Und die Patienten sind nicht krank, sondern morphiumsüchtig und ebenfalls vom
Die Hure mit dem großen Herzen ist mittlerweile ein ausgereiztes Klischee der Literaturgeschichte, hinabgesunken ins triviale Genre. Der amerikanische Autor William Mastro-simone hat eine moderne Neuadaption des unausrottbaren Männertraums geschaffen: die unberührte, jungfräuliche Hure, „Sunshine" (OlgaSchreyer), Star einer Peep-Show und Heldin des gleichnamigen Stücks, das im Graumann-Theater zu begutachten ist.Aus unerfindlichen Gründen wurde dieser beherzte Rückfall ins präfeministische Zeitalter für die USA gesperrt und der dortigen Männerwelt vorenthalten. Nach bester
Den Eingang zum schwarz ausgeschlagenen Bühnenlabyrinth bewacht eine Sphinx. Für Sehende ist der Zutritt verboten: Es ist das Reich der Blinden, eine hermetische Gegenwelt, die sich ihre eigene Ordnung geschaffen hat. Herve Guiberts „Blinde- ist eine üppig wuchernde Phantasmagorie, die die Grenzen zwischen Realität und Imagination verrückt und wie in einem Horror vacui die Dunkelheit mit Ausgeburten der Phantasie bevölkert. Das Stück des 1991 jung an Aids verstorbenen Autors sprengt jeden Bühnenrahmen. Im Wiener Schauspielhaus haben Philippe Arlaud und Hans Gratzer (Inszenierung und
Es wird wohl ein Zufall sein, daß das „Totale Theater" in Wien die Premiere seiner Surrealismus Collage „Szenisches Frühstück mit Andre Breton" gerade zu Allerheiligen angesetzt hat. Dennoch kommt es fast einer Schändung gleich, wie respektlos hier mit dem Kulturpapst der zwanziger Jahre umgesprungen wird. War sein Anarchismus wirklich nicht mehr als ver-blasene Attitüde, seine Verherrlichung des Unbewußten und Irrationalen nur prätentiöse Exaltation? Aber Lyrismus und Tageslicht, ganz zu schweigen von den Köstlichkeiten des Früh-stücksbuffets, vertragen sich schlecht,
Es grenzt beinahe an Übermut, wenn ein in seinen schauspielerischen Mitteln begrenztes Ensemble wie jenes vom „Spielraum" sich an ein so sperriges Stück wie „Die Marquise von O." von Ferdinand Bruckner wagt. Bruckner verlegt die Handlung (nach Kleists berühmter Novelle) vom Italien des 18. Jahrhundert ins Preußen des Napoleonischen Rußlandfeldzuges und den Schwerpunkt auf die Befindlichkeit einer deutschen Familie, in deren irreale Traumwelt die Wirklichkeit in Gestalt des vergewaltigenden Hauptmannes einbricht.Die Analyse dieser bürgerlichen Wahnwelt wäre so beklemmend
Nun, zum Abschluß der litauischen Gastspielreihe im Theater in der Drachengasse in Wien, der Trilogie zweiter Teil, diesmal in englischer Sprache. Wie „Die alte Frau" basiert „Dort bedeutet Hier" auf Texten des russischen Avantgardisten Daniii Charms, der 1944 - während der deutschen Blockade - in einem Leningrader Gefängnis verhungerte.Eine schwarz-weiß flimmernde Op Art-Bühne, die das Auge täuscht, darauf ein Klavier, fünf Stühle und sechs Schauspieler in Chaplineskem Outfit: Mehr benötigt die junge, famose Gruppe nicht, um eine Atmosphäre der Angst und Unsicherheit
Mit einem fulminanten Auftakt startet die litauische Gastspielreihe im Theater in der Drachengasse in Wien: „Die alte Frau" nach Texten der russischen Avantgardisten Daniii Charms und Aleksandr Wedenskiy. Die Produktion des renommierten Akademischen Dramatheaters Vilnius, erarbeitet von einem jungen Ensemble, setzt bei der Suche nach neuen Theaterformen auch internationale Maßstäbe. Eine knappe Stunde dauert die Kollage aberwitziger, tragikomischer und grotesker Situationen, die um den Tod - Metapher einer allumfassenden Sinnlosigkeit - kreisen. Die Entdeckung der beiden Autoren als
Das „Vienna’s English Theatre“ hat ein treues Stammpublikum. Die Besucher wissen, was sie erwarten dürfen: Kein aufgemotztes Regietheater, aber immer gediegene, oft exzellente schauspielerische Leistungen.Aber rar sind Glücksfälle wie Morgan McCabe als Josie Hogan in Eugene O’Neills letztem (vollendetem) Stück „A Moon for the Misbegotten“. Bei ihr hat man das bestimmte Gefühl, der Autor hätte ihr die Rolle auf den Leib geschrieben. Eine Idealbesetzung. Kraftvoll und zart, stolz und sensibel, rührt sie ein gebanntes Premierenpublikum zu Tränen. Ein wunderbares Stück über
Beinahe zweihundert Jahre alt ist Schillers Drama „Maria Stuart" und so packend und aktuell wie eh und je. Im Wiener Volkstheater hat die junge Regisseurin Antje Lenkeit den politischen Kampf der beiden Königinnen auf den grundlegenden Konflikt rivalisierender weiblicher Lebensentwürfe reduziert. Sowohl Elisabeth (Ba-bett Arens) als auch Maria (Andrea Eckert) geraten aufgrund ihrer Macht-positionen in unvereinbare und unlösbare Rollenkonflikte zwischen ihrer Identität als Frau und als Regentin. Dieses Double-bind ist, so scheint es, von wahrhaft zeitloser Geltung.Antje Lenkeits
Was nur hat Hans Gratzer getrieben, ein Machwerk wie „Heimatstöhnen" des 34jährigen Linzer Autors Harald Kislinger im Schauspielhaus in Wien uraufzuführen?Der Mühlviertier Bauemsohn Lud flüchtet vor dem provinziellen Mief nach Wien, studiert Mathematik, gerät in die Kulturschickeria und emigriert angeekelt nach Amerika. Er heiratet, Kinder stellen sich ein, die Karriere geht voran. Aber der arme Lud ist vom Regen in die Traufe gekommen. Im New Yorker Sündenbabel leidet er unsägliche Zivilisationsqualen: nichts als Hochhäuser, Beton, Mac Donalds, TV und eine technikgläubige
Ein schwarzer Bühnenraum, im Vordergrund dreizehn Stahlrohrsessel in einer Reihe, frontal zum Publikum. Sechs Herren und drei Damen im dunklen Citydress: Die Brüsseler Needcompany spielt Shakespeares „Antonius und Cleopatra" im Wiener Messepalast. So unterkühlt und geschäftsmäßig wie die Ausstattung ist auch der Ton.Jan Lauwers hat Shakespeares längstes Drama mit leichter Hand auf knappe zwei Stunden Spieldauer zurückgestutzt, Cleopatras Dienerin Charmion (Grace Ellen Barkey) übernimmt als Ausgleich die Rolle der Spielleiterin und kommentiert lapidar und witzig die fehlenden
„Theatersonate" nennt Gert Jonke sein Stück „Sanftwut oder Der Ohrenmaschinist" über den ertaubten Beethoven und die Hammerklaviersonate. Verwirrend wie der Titel ist das Bühnenbild (Max von Vequel) im Wiener Volkstheater: Das Arbeitszimmer mit Flügel, Notenständer und Fauteuil unter freiem Nachthimmel, an dem die Sonne steht. Was ist Innen, was Außen, Tag oder Nacht? Solche Zusammenstellungen widersprechender Begriffe erweisen sich als durchgängiges und überstrapaziertes Gestaltungsprinzip, als Versuch, musikalische Form in sprachliche zu übertragen.Resultat dieser
Die Big-Motion-Reihe der Wiener Festwochen setzt gleich zu Beginn einen fulminanten Höhepunkt: „Polygraph" des Kanadiers Robert Lepa-ge und seines Theätre Repere. Das Drei-Personen-Stück ist eine metaphysische Kriminalgeschichte, ein Verwirrspiel um Lüge und Wahrheit, Realität und Fiktion. Es basiert auf einem wirklichen Mordfall, in den Lepage involviert war. Eine junge Schauspielerin wurde ermordet. Der Tat verdächtigt wurde der Student Francois, ein enger Freund des Opfers. Nach endlosen Verhören und einem Lügendetektor-Test wurde er freigelassen. Nach sfchs Jahren wird der
Das erste Gastspiel im Westen führte das Kiewer „Iwan Franko-Theater" vom 23. bis 25. April in das Wiener Volkstbeater. Zwei repräsentative Produktionen, die zeitgenössische Rockoper „Der Weiße Rabe" von J. Rybtschinskij und G. Tatartschenko und das Drama „Das gestohlene Glück" von Iwan Franko führte die Nationalbühne der mittlerweile unabhängigen Ukraine mit im Gepäck.Vor allem „Das gestohlene Glück" des ukrainischen Nationaldichters Iwan Franko besitzt für das wiedererstarkte Identitätsbewußtsein der Ukraine eine überragende Bedeutung. Der große
„Der Tod und das Mädchen" des chilenischen Autors Ariel Dorfman erlebte im Rabenhof-Theater nun seine deutschsprachige Erstaufführung (Regie Helmut Griem). Paulina, Ehefrau des Anwalts Escobar, der in Chile eben zum Mitglied der Untersuchungskommission für Menschenrechtsverletzungen ernannt wurde, ist eines der unzähligen Opfer der Diktatur. Da bringt ihr Mann den Arzt Mi-randa ins Haus, in dem Paulina ihren Folterknecht zu erkennen glaubt. Es geht um die Frage, wie die Opfer mit ihren Erlebnissen fertig werden; es geht darum, wie eine polarisierte Gesellschaft zueinander rinden
Mit „Der Wirrkopf", Molieres frühestem Stück, startet das große Moliere-Projekt (insgesamt fünf Produktionen sind geplant) im Wiener Theater am Petersplatz. Molieres selten gespielter Erstling ist Intrige pur; gestrickt nach dem ewig-gleichen Komödien-Einmaleins der Comme-dia dell'arte. Noch dominiert die Typengroteske vor der späteren Charakterkomödie.Allenfalls Commedia dell'arte Puristen könnten registrieren, daß sowohl Regisseur (Dieter Haspel) als auch Schauspieler sich in einer fremden Theatertradition bewegen und deren körperliche Ausdrucksmittel einfordern. Das trübt
Wer hätte das gedacht! Ausgerechnet Claus Peymann, der Theaterschänder der Nation, läßt das selige Burgtheater wieder auferstehen. Heftige Geburtswehen sind dieser„Macbefh"-Inszenierung vorangegangen, fiebrige Emotionen beherrschen auch die viereinhalbstündige Aufführung. Gert Voss in der Titelrolle absolviert einen gnadenlosen Parforceritt, der dennoch merkwürdig unberührt läßt.Shakespeares Tragödie des ehrgeizigen schottischen Usurpators und Tyrannen besitzt einerseits eine enorm theatralische Wirksamkeit. Andererseits erfordern die exzessiven, langatmigen Monologe eine
Zwei charmantere Ganoven als Adi Hirschal und Wolfgang Bock sind wohl kaum vorstellbar. Ihre „Strizzilieder - Melodie der Vorstadt" im Rabenhof sind perfektes Entertainment und ironische Hommage an seine untergegangene Wiener Subkultur.Angesichts verödender Vorstädte und eines immer kälter und brutaler werdenden „Milieus" könnte man da fast nostalgisch werden. Adi Hirschal und Otmar Binder (Klavier/keybord) haben die musikalischen Zeugnisse dieser versunkenen, exotischen Welt bearbeitet und präsentieren sie in einer amüsanten und präzis durchinszenierten Show.Sentimental,
Nicht durchs Puppenheim, sondern in einer samtenen Schmuckschatulle hüpft, tanzt, tollt Ibsens „Nora" im Volkstheater. Karlheinz Hackls Inszenierung setzt aufs Eindeutige, Augenfällige. Monochrom auch die Kostüme: Noras billige rote Seidenfähnchen verweisen schon auf ihr künftiges Schicksal als Zirkusartist in. Birgit Dolls Nora ist keine in Unmündigkeit gehaltene Kindfrau, sondern ein possierliches, egoistisches Äffchen, das tatsächlich der Anleitung zur praktischen Vernunft bedarf. Wolfgang Hübsch trifft den selbstgefälligen , biederen Ehemann bis zur Lächerlichkeit. Beide
Kein Wunder, daß Bulgakows berühmte Erzählung „Hundeherz" (1925) erst 1987 - dank Glasnost -erscheinen durfte. Das Jura Soyfer Theater gastiert mit der Dramatisierung dieser bösen Satire auf den neuen sowjetischen Menschen im Theater Brett. Und liegt damit ganz im Trend der ideologischen Abrechnung mit dem ehemals real existierenden Sozialismus.Ein weltberühmter Professor, Spezialist für Verjüngungsoperationen, wagt mit dem Straßenköter Bello ein ehrgeiziges Experiment: Der Hund mutiert mit der Hypophyse eines Zuchthäuslers zum Menschen. Aber er wird keine Zierde der
„Der Mord ist mehr noch als der Tod die Grunderfahrung menschlichen Seins." Diese Erkenntnis des österreichischen Autors Peter Wagner berührt nach wie vor ein Tabu - trotz der Einsichten, die wir seit Georges Batai 1 le in die Abgründe der menschlichen Seele haben.Im Banne des Bösen steht Wagners Stück „Die Mühle" im Wiener Werkstätten- und Kulturhaus. Protagonist ist der berühmte Kriegsfotograf Daniel (Klaus Fischer), der sich mit seiner blutjungen Frau Kiki aufs Land zurückgezogen hat, um „ein neues Leben" zu beginnen. Sich selber aber kann er nicht
War es Selbstbewußtsein oder Selbstverleugnung, die Herbert Berger ver-anlaßten, sein Zwei-Personen-Stück „Im Krieg war das eben so" zusammen mit dem Einakter „In Ewigkeit Amen" von Anton Wildgans im Ateliertheater in den Ring zu schicken? Der direkte Vergleich mit der dramatischen Wucht und psychologischen Dichte von Wildgans' Einakter jedenfalls setzte Bergers Uraufführung einer übermächtigen Konkurrenz aus.Beide Stücke handeln von der Unmenschlichkeit und dem Machtmißbrauch eines Richters. Berger schrieb „Im Krieg war das eben so" im Auftrag der
Die meisten Zuschauer verlassen etwas verunsichert und irritiert den Lusterboden im Wiener Burgtheater. Angekündigt waren drei selten gespielte Einakter von Arthur Schnitz-ler(„Sylvesternacht", „Halbzwei" und „Die überspannte Person") mit Mare-sa Hörbiger und Florentin Groll. Die Dialoge zwischen Mann und Frau kreisen um ein einziges Thema: das scheinbar zeitlose Mißverständnis zwischen den Geschlechtem. Die Frau fordert Totalität in der Liebe, der Mann weicht aus, entwickelt Strategien gegen die Vereinnahmung.Ein geöffnetes Fenster, ein zerwühltes Bett und ein
Was passiert, wenn man mit seiner Ehefrau in der Ewigen Stadt weilt, eine strapaziöse Besichtigungstour durch die unzähligen Kirchen absolviert und mit einem Heiligenschein um den Kopf ins Hotel zurückkommt? Derart metaphysische Fragen werden heutzutage leider nur mehr auf dem Boulevard gestellt. Das Graumanntheater in Wien nahm sich des schmählich vernachlässigten Problems der Heiligkeit wider Willen an und*spielt „Mirakel" von Friedrich Ch. Zauner.Wer sich jedoch auf Unsinn der höheren Art und schräge Komik freut, wird enttäuscht. Der Autor schnurrt gekonnt die konventionelle
„Ein Lehrstücke ohne Lehre" nannte Max Frisch sein Stück „Biedermann und die Brandstifter". In der Aufführung des Wiener Volkstheaters in den Außenbezirke* im „Akzent" wird daraus eine Inszenierung ohne Eigenschaften. So brav, so bieder kommt sie daher und verströmt nichts als den wohlbekannten Mief der fünfziger Jahre.Regisseur Peter M. Preissler hat sich sklavisch an Frisch's Bezeichnung gehalten und jede Interpretation, jede Aktualisierung gescheut. Das Resultat ist eine politische Parabel, die ins Leere zielt, Langeweile und Belanglosigkeit. Wozu also das ganze?
Nach Sartre und Genet gastiert das Ensemble 90 nun mit Peter Shaffers Erfolgsstück „Equus" (1973) im Moulin Rouge. Seinerzeit machte das Stück Furore - das Psychodrama eroberte den Boulevard. Den Fall eines psychisch gestörten Jungen, seine scheinbar sinnlose Zerstörungswut, rollt Shaffer als Psychokrimi zwischen Patient und Psychiater auf.Fast 20 Iahre später verursacht das Stück Unbehagen. Allzu gläubig, allzu linear reproduziert der Autor Methoden und Thesen der Psychiatrie. Wider besseres Wissen setzt der Arzt seine Macht und seine Tricks ein, um dem Jungen sein Geheimnis zu
Wer hätte das gedacht: Das Wiener Theater Drachengasse reüssiert mit einem Musical. John Godber, der erfolgreichste englische Jung-Dramati-ker, hat es geschrieben. Intelligent, rüde und witzig beschreibt „The bouncers" das Freizeitverhalten der englischen Unterschicht. Godber ist ein unsentimentaler und präziser Beobachter. Die Friday-night-Ritua-le der Kids, ihre hochfliegenden Erwartungen, unvermeidlichen Abstürze, Frustrationen und Aggressionen schildert er zynisch, zornig und -umwerfend komisch. Eberhard Pet-schinka hat eine kongeniale Wiener Fassung und die amerikanische
„Das Mädl aus der Vorstadt" (oder „Ehrlich währt am längsten") von Johann Nestroy mußte den Umweg über die Salzburger Festspiele machen, um nach 150 Jahren endlich ins Theater in der Josefstadt eingelassen zu werden. Reich ausstaffiert, moderat in Ton und Haltung, paßt es so übel nicht ins bürgerliche Etablissement.Aber wie's so geht, der soziale Aufstieg fordert Opfer und Abstriche. Auf der Strecke blieben der aggressive Witz, Parteinahme für die kleinen Leute und der ungebärdige Vorstadtcharme. Die Inszenierung hält Äqui-distanz zu den sozialen Antagonisten,
Mit dem Zwei-Personen-Stücken „Es" (1923 von Karl Schönherr) hat das Jura Soyfer Theater einen guten Griff getan. Im Treffpunkt Petersplatz bekommt man einen radikal entschlackten Schönherr zu sehen, fernab von Heimatstück und Naturalismus. Mit ritualisierten Bewegungsabläufen, verfremdendem Licht- und Musikeinsatz versucht Regisseur Anton Nekovar die konventionelle Dramenstruktur aufzubrechen.Aber auch ohne diese ästhetische Experimentierlust ist das Stück von bedrängender Aktualität. Der Konflikt eines Arztehepaares (Erwin Leder und Christine Csar) um das ungeborene Kind
Das Pariser ZDF-Büro befindet sich bezeichnenderweise in der noblen rue Goethe, zwischen Seine und Are de Triomphe. Es ist auch das Büro von Stefan Georg Troller. Seit 1971 ist der gebürtige Wiener Sonderkorrespondent des deutschen Senders in Paris und Gestalter der Personality-Reihe „Personenbeschreibung", der Nachfolgesendung des inzwischen legendären Magazins „Pariser Journal", in dem er zynisch und passioniert über „sein wildes, lebendiges Paris" berichtete. Sein Arbeitszimmer beherbergt eine beeindruckende Kollektion der renommiertesten Fernsehpreise -auch die
Auch das Jura SoyferTheater in Wien geht im Sommer auf Nummer Sicher und serviert Johann Nestroys letztes Stück „Häuptling Abendwind" oder „Das greuliche Festmahl" (Musik Jacques Offenbach). Die zynische Satire auf Nationalismus, Zivilisationsdünkel, Politik und Diplomatie gerät in der Regie von Doris Happl zur leichtgeschürzten Sommerklamotte. Die groteske Handlung: die zwei kannibalischen Südseehäuptlinge Abendwind und Biberhahn, beide sehr österreichische, sinnesfreudige Gemütsmenschen, treffen einander zum opulenten Bankett anläßlich einer Friedenskonferenz.
Einen Text von Friederike Mayröcker für das Theater zu adaptieren, gehört wohl zu den schwierigsten und zugleich lohnendsten Herausforderungen für einen jungen Regisseur. Die Uraufführung von „Nada. Nichts.” im Rahmen der Wiener Festwochen-Reihe Zeit/Schnitte im Schauspielhaus bestätigte eigene Erwartungen: Die Mayröcker ist nicht zur Dramatikerin mutiert. Die herausragende Qualität ihrer poetischen Prosa, die Dichte, Bild- und Reflexionsfülle ihrer Sprache sperrt sich gegen eine theatralische Umsetzung. Ihrem „halluzinatorischen Stil” (Mayröcker) eine kommentierende oder
Vier Jahre alt ist Roberto Ciullis Inszenierung von Peter Handkes „Kaspar”. Dennoch kann man das Gastspiel des Mühlheimer Theaters im Wiener Messepalast als einen Höhepunkt der diesjährigen Festwochen verbuchen.Die Idee, den Kaspar mit einer Frau (der großartigen Maria Neumann) zu besetzen, ist weit mehr als ein modischer Regiegag; sie erschließt der Geschichte einer gesellschaftlichen Ablichtung eine weitere, beklemmende Dimension. Ciulli widerstand der Versuchung, Kaspar als reines, unschuldiges Naturwesen zu zeigen. Sie wird in einer Mülltonne aufgefunden, im Nirgendwo zwischen
Das Bühnenbild läßt Schlimmes befürchten: In der Mitte ein lebensgroßer, ausgestopfter Stier, an der getäfelten Stirnseite Reproduktionen exotischer Fische - steht ein Wiederbelebungsversuch des Machismo bevor?Die „Needcompany” aus Brüssel gastiert mit „Invictos” (nach Texten von Ernest Hemingway) bei den Wiener Festwochen im Messepalast. Ein Schauspieler, der aussieht wie der junge Alain Delon, tritt an die Rampe und singt eine herzergreifende spanische Weise. Nach jeder Strophe stockt er und schaut herausfordernd ins Publikum. Dann wird das unsägliche, gefleckte Tier
Dem Flamen Jan Fabre, Autor, Choreograph und Regisseur in Personalunion, eilte der Ruf eines Theater-Wunderkhaben und Bildermagiers voraus. Der (ohne Pause!) vierstündige Marathon „Sweet Temptations” stürzt den Zuschauer in ein präzise kalkuliertes Wechselbad zwischen Bildern der Stille, der Meditation und exaltierter Aufgeregtheit, anarchischerErotik, Banalität und Prätention.Nach drei Stunden erlischt das Bühnenlicht im Messepalast; 18 sich nach oben verjüngende Quader aus Holz drehen sich langsam um die eigene Achse, beginnen zu blinken und zu funkeln und entpuppen sich als
Mit „Der Hausmeister" gelang dem britischen Autor Harold Pinter 1960 der internationale Durchbruch: Der sanfte, menschenscheue Eigenbrötler Aston hat sich im Hause seines jüngeren Bruders Mick ein armseliges Refugium geschaffen. Besessen sammelt er Gerumpel und Trödelkram als Barrikaden gegen die Außenwelt.Eines Tages bringt er den Stadtstreicher Davies mit in seine Behausung. Dieser wittert sofort seine Chance auf eine bequeme Bleibe. Mit dem verzweifelten Überlebenswillen des Outcast zieht er alle Register, um seinen liebenswürdigen aber hilflosen Quartiergeber zu verdrängen.
„Mami, was ist das: umkommen, sterben, erschlagen? Ein Rätsel." Ein Rätsel bleibt auch, was Nika Brettschneider und Ludvfk Kavin (Regie) im Theater Brett, Wien, bewogen haben mag, das Theaterstück „Pest in Athen" von Jiii Koläf mit dem neuen Titel „Alibis" zu versehen. Laut Programmheft sollen die „Entschuldigungsschemata aller menschlichen Taten" das Grundthema sein. Ein hoher Anspruch, der aber in keiner Weise eingelöst wird. Die prätentiöse Textcollage watet in Blut und reiht in beliebiger Folge Berichte monströser Greueltaten aneinander: von aztekischen