In sieben Jahren vier Verweigerungen eines Visums und bis zur Stunde keine Erklärung dafür, obwohl die nahe Verwandte in der DDR alle Instanzen immer wieder bestürmte. Dann plötzlich, beim fünften Anlauf, als die Hoffnung schon fast auf den Nullpunkt gesunken war, die große Überraschung: das vorläufige Visum! Es sei ihm, so schrieb der Verwandte, voh einem Herin persönlich überbracht worden, der sich als Angehöriger der Bezirksregierung vorgestellt habe. Sehr liebenswürdig und teilnahmsvoll habe er sich nach den Lebensverhältnissen der Familie dort erkundigt und nur so nebenbei den Wunsch geäußert, mit dem Besucher aus dem Westen, sobald er eingetroffen sei, ein Gespräch zu führen. Der Auftakt war zwielichtig genug. Das gleiche Zwielicht lag aber dann über allem, was sich in diesen Wochen präsentierte. Gelegentlich brach ein Sonnenstrahl hindurch — die vorherrschende Farbe aber war grau.
Nach dem Botschaftsrat der CSSR, F a i f r, hat nun auch Prof. Ota S i k um Asyl gebeten. Ihnen beiden war der Korrespondent von CTK in Genf um einige Wochen zuvorgekommen. Bisher war die Schweiz, bei aller Großzügigkeit gegenüber Flüchtlingen aus der CSSR, weniger präkeren Situationen ausgesetzt als Österreich. In Wien, das gleichfalls zu allen Ostblockstaaten diplomatische Beziehungen unterhält, kommt ja bald auf einen akkreditierten Diplomaten ein geflüchteter.
Am 9. Oktober schlössen sich die Grenzen für die Bürger der CSSB, die ein Visum für den Westen, vor allem für die Bundesrepublik, in Händen hatten. Ex Oriente lux — ex occidente Spionage. Aus dem Osten kommt das Licht, aus dem Westen dagegen alles Böse, bis hin zur Konterrevolution. Die Zeitungen wurden wochenlang nicht müde, auf Geheiß des ZK dies den Lesern aufzutischen. Niemand glaubte es ihnen, denn zu viele hatten die Spanne Zeit zwischen politischem Frühling und Herbst genutzt, um den Westen, wiederum speziell die Bundesrepublik, zu besuchen.