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Flut von Flüchtlingen

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Nach dem Botschaftsrat der CSSR, F a i f r, hat nun auch Prof. Ota S i k um Asyl gebeten. Ihnen beiden war der Korrespondent von CTK in Genf um einige Wochen zuvorgekommen. Bisher war die Schweiz, bei aller Großzügigkeit gegenüber Flüchtlingen aus der CSSR, weniger präkeren Situationen ausgesetzt als Österreich. In Wien, das gleichfalls zu allen Ostblockstaaten diplomatische Beziehungen unterhält, kommt ja bald auf einen akkreditierten Diplomaten ein geflüchteter.

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Nach dem Botschaftsrat der CSSR, F a i f r, hat nun auch Prof. Ota S i k um Asyl gebeten. Ihnen beiden war der Korrespondent von CTK in Genf um einige Wochen zuvorgekommen. Bisher war die Schweiz, bei aller Großzügigkeit gegenüber Flüchtlingen aus der CSSR, weniger präkeren Situationen ausgesetzt als Österreich. In Wien, das gleichfalls zu allen Ostblockstaaten diplomatische Beziehungen unterhält, kommt ja bald auf einen akkreditierten Diplomaten ein geflüchteter.

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Bern reagiert gelassen. Gelassener auf jeden Fall, als es sonst den Fremden gegenüber geschieht. Die „Schwarzenbach-Initiative“ ist zwar einstimmig abgelehnt und damit die Furcht beseitigt, ein plötzlicher Aderlaß könne Tausende von Betrieben um 70 bis 80 Prozent ihrer Mitarbeiter bringen — die Aufgabe aber, den hohen Ausländerbestand von fast 20 Prozent auf ein vertretbares Maß zurückzubringen, ist damit nur neu gestellt. Wie das geschehen soll, wird augenblicklich in Konferenzen zwischen Industrie, Gewerbe und Handelskammern einerseits sowie der Bundesregierung und den Kantonen anderseits ausgehandelt. Daß gerade zu diesem Zeitpunkt die Ankündigung des Bundesrats, endlich eine zuverlässige Ausländerstatistik zu schaffen, begrüßt wird, liegt auf der Hand. Im elek-

tronischen Rechenzentrum der Bundesverwaltung soll ein Register aufgebaut werden, das über den Bestand der ausländischen Wohnbevölkerung in der Schweiz zuverlässige Daten liefert. Nach einem „Probelauf“ mit 3 Kantonen, dessen Kosten auf 750.000 Franken geschätzt werden, will man weitersehen. Immerhin sind an die 500.000 Veränderungen pro Jahr zu verarbeiten. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, daß der Bundesrat — es war die letzte Sitzung in Gegenwart des nach zehnjähriger Tätigkeit scheidenden Bundesrats Spühler — das Polizeidepartement ermächtigte, jährlich 80 behinderte Flüchtlinge aufzunehmen, deren Unterhalt zu Lasten der Bundeskasse geht. Krank oder invalid zu werden, ist nach dem bisherigen Stand der Kranken- und Altersversorgung für

einen Ausländer in der Schweiz ein schweres Los. Die drei Säulen, auf denen bisher und wohl auch zukünftig die Last der Krankheits- und Altersvorsorge ruht, existieren ja für den Ausländer und daher auch für den Flüchtling erst teilweise: AHV (Pflichtversicherung), Betriebsvorsorge und Bankbüchlein. Wenn auch die AHV zügig ausgebaut wird, so ist doch nicht zu erwarten, daß sie jemals das Ausmaß deutscher Sozialversicherung erreichen wird. Zuviel „Staat“ ist hierzulande verdächtig, die Eigeninitiative soll auf keinen Fall zu kurz kommen.

Frauenwahlrecht

Zur gleichen Zeit wie die Ausländer und die Altersversorgung bewegen auch die Frauen aufs neue die politische Szene — dort, wo sie inzwischen stimmberechtigt wurden, was vor allem für die Welschschweiz zutrifft, übrigens sehr erfolgreich bei Abstimmungen. Die relativ höhere Beteiligung bei den letzten Referenden wird wohl nicht zu Unrecht auf die Einführung des kantonalen Stimmrechts für Frauen zurückgeführt. Auf Bundesebene ist es, nach einem ersten Anlauf 1959, bisher beim alten geblieben. Gerade jetzt hat aber der Bundesrat eine neue Vorlage verabschiedet und ver-

öffentlicht, die alle Aussicht hat, in den Kantonen und auch im Bund „anzukommen“. Die Frau ist aus dem Wirtschaftsleben der Schweiz nicht mehr fortzudenken; ihre Un-terprivilegierung an den Urnen — der Schweizer wählt durchschnittlich zwanzigmal im Jahr — ist schlechthin ein Anachronismus. Aber auch dies geschieht: Die Genfer müssen auf fünf Jahre insgesamt eine Million Franken für antikonzeptionelle Mittel ausgeben. Taubenfutter, wohlgemerkt, dem dieses Mittel beigegeben wird. Jeden Tag werden 500 bis 700 Kilo ausgestreut. Offen bleibt nur die Frage, ob die Tauben diese Ausgabe honorieren

und sich ihr Futter nicht anderswo suchen.

Und zum Schluß: Der vorzügliche Jahrgang 1969 ist mittlerweile rar geworden. Trotzdem hat die Gemeinde Mont-sur-Rolle im Waadt-land jedem Angehörigen einer Kompanie, die dort jetzt bei schlechtestem Wetter ihren Wiederholungskurs absolviert, eine Flasche Eigengewächs samt Glas geschenkt. Was bei den Tauben noch offen ist, wurde hier eindeutig beantwortet: keiner wies die Offerte zurück. Wobei nur die Frage bleibt, ob man in der jurassischen Gemeinde für seinen Wein oder um die Gunst der Soldaten werben wollte.

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