Landauf, landab, ja weltweit geht heute die Kunde von der Renaissance der Religion bzw. der Religionen, und es fehlt nicht an vielerlei Fakten und Anzeichen dafür, daß dies in der Tat kein leeres Gerede ist. Dementsprechend herrscht bei vielen Gläubigen Genugtuung und Freude vor: geht es endlich wieder aufwärts und vorwärts mit der so arg zurückgedrängten, oder auch nur verdrängten, Religiosität? Und tatsächlich: wer sollte und wollte sich dieser „Wende“ nicht erfreuen?Man möge mir verzeihen, wenn ich gerade jetzt es für angebracht halte, etwas Wasser in solchen Freudenwein zu
Diese Arbeit eines Amerikaners, die nur in deutscher Übersetzung erschienen ist, bekommt ihren speziellen Wert durch eine doppelte Intention: die Sorgfalt der historischen Durchdringung und Darstellung eines in der Kirchengeschichte in vieler Gestalt neuen Phänomens sowie der systematische Versuch einer gedanklichen Analyse und theologischen Einordnung dieses Phänomens. Die Leistung des Historikers ist profund: In ungewöhnlicher Dichte wird das außerordentlich komplexe, bisher weit verstreute Material der Anfänge der ökumenischen Bewegung zusammengeschaut und entsprechend dargestellt, nachdem es gesammelt, gesichtet und nach seinen grundsätzlichen Problemen hin abgehorcht worden ist. Der Autor bleibt seiner Fährte unablässig auf der Spur, ohne darüber das breite Umfeld anderer Erscheinungen und Probleme zu vergessen oder zu verdrängen. Wichtiger noch ist freilich, daß er sich diesem besonderen Thema, wie es im Titel in Erscheinung tritt, zuwendet, denn es handelt sioh hier um die wohl erste Monographie, die sich systematisch der Relation von Ökumene und Politik zuwendet.
Für das allgemeine Bildungsbewußtsein ist die „Reformation“ mit dem 31. Oktober 1517 verknüpft, und der Augustänermönch und Theologieprofessor Dr. Martin Luther steht vor uns als ihr maßgeblicher Repräsentant und Interpret. Daß er als Person und mit seiner Theologieauch\ einer der vielen großen Einsamen der Geschichte ist, die von der Bewegung, die sie entfesselten, nie ganz verstanden wurden, ist von ebensolcher Bedeutung wie die andere Tatsache, daß die „Reforma--tion“ mehr war und ist als die Tat eines einzelnen. Dennoch wirkt er exemplarisch: Seine reformatorische Tat