In der Aschenputtel-Ökonomie II

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Was kann uns das Märchen von Aschenputtel zum Thema Beschäftigung sagen? Klar ist: Sie erledigt ihre Aufgaben in Rekordzeit. Aus Sicht der Mutter ist das schlecht, weshalb sie instinktiv mehr Arbeit hinzufügt. Auch diese Arbeit erledigt sie, wenn auch mit Hilfe der Tauben ("Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen"). Die Tauben haben die Funktion unserer Maschinen.

Aber sehen wir es von der Seite der Schwiegermutter, der Autorität: Die eigentliche Bedeutung von Aschenputtels Arbeit ist nicht das Produkt. Die Arbeit ist nur da, um die Stieftochter in Beschäftigung zu halten. Die Maschine hilft also eigentlich nicht. Was, wenn es bei uns genauso wäre? Der Mensch arbeitet heute viel effizienter als noch vor einem Jahrhundert. Aber er arbeitet nicht weniger. Die Zeit, die wir sparen, weil Maschinen unsere Arbeit erledigen, wird verwendet, um noch besser und noch härter zu arbeiten. Wir sind da ähnlich dem Arbeitspferd auf Orwells Farm der Tiere, das unter seinem Besitzer schuftet, damit es seine Unterdrücker besser haben. Gemäß unserer eigentlichen Logik müsste ich aber, wenn ich beispielsweise die Wäsche in die Maschine getan habe, mir selbst zwei Stunden Zeit gönnen, die nun die Maschine für mich arbeitet. Dafür habe ich doch die Waschmaschine gekauft. Das gleiche gilt für das Versenden von E-Mails oder die Zeit, die ich durch schnellere Fortbewegung gewinne, indem ich etwa Rad fahre. In dieser Art der Zeitersparnis für Muße muss man sich die Arbeit vorstellen, die Mircea Eliade in seiner Zeit vor der Zeit (Illo Tempore) angesiedelt hat. Heute bringen wir unsere Maschinen zwar in Gang, aber sie verschaffen uns keine Zeit mehr. Wir sind atemlose Wettstreiter in einem Wettstreit, den niemand erklärt hat und dessen Ergebnis letztlich niemanden mehr interessiert.

Der Autor ist Professor für Ökonomie an der Karlsuniversität Prag

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