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„Nur das Zahnbürstel ist gesichert"

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Mir ist bewußt, daß vieles an der Schubhaft dringend reformbedürftig ist", sagte Innenminister Karl Schlögl kürzlich vor Vertretern von Nicht-Begierungsorganisationen (NGOs) und betonte, „daß Schubhäftlinge keine Verbrecher sind". Vor diesem Hintergrund begrüßte der Minister die neue Einigung mit den NGOs (darunter Caritas, Evangelischer Flüchtlingsdienst, SOS-Mitmensch), die eine möglichst menschliche Betreuung der Schubhäftlinge gewährleisten soll.

Zwölf staatlich bezahlte Stellen sind ab Jänner 1998 für die humanitäre und soziale Hilfe vorgesehen. Zunächst läuft das Projekt ein Jahr lang. Dann werden Innenministerium und NGOs erneut an einem Tisch zusammenkommen. Bei den zwölf Stellen handle es sich um eine „Minimalstruktur", das sei allen bewußt gewesen, kommentiert „SOS-Mitmensch" Günter Ecker die neue Begelung. Er und Vertreter der anderen NGOs betonen aber, daß Schubhaft „nie ein angemessenes Mittel sei" und setzen sich weiterhin für die Abschaffung der Schubhaft für Asylwerber, Minderjährige und „besonders schützenswerte Gruppen" (wie etwa schwangere Frauen) ein.

Den neuen Vertrag bezeichnet Ecker dennoch „als großen Schritt in die richtige Bichtung". Er beinhaltet neben Kontaktgesprächen, Informationen und („im Akutfall") der Versorgung mit Hilfsgütern wie Kleidung oder Toiletteartikeln auch eine Hilfestellung bis zu einer Woche nach der Haftentlassung, wie sie vor allem Hungerstreikende dringend brauchen.

Größter Vorteil für die NGOs ist der freie Zugang zu den Betreuten. Denn wer bisher einen Schubhäftling besuchen wollte, mußte dessen Namen wissen. Viele fielen so durchs helfende Netz.

Der Haken der Regelung aus Sicht vieler NGOs: Die Vereinbarung umfaßt die genannten Informationsgespräche und die Bereitstellung von Artikeln des täglichen Bedarfs, das Schreiben von Berufungen aber muß außerhalb der Arbeitszeit erfolgen: „Das Zahnbürstel ist gesichert, die rechtliche Betreuung nicht", ärgert sich etwa Sabine Grabner von amnesty international. Auch über die im neuen Asylgesetz vorgesehene Verkürzung der Berufungsfrist bei negativen Asylbescheiden auf zwei Tage zeigen sich NGO-Vertreter besorgt. Günter Fleischmann (Caritas Wien) etwa bezweifelt, „daß diese Frist immer schaffbar ist". „Einige der Schubhäftlinge sind aus den Gefängnissen in ihrer Heimat vor Folterungen geflohen. Und bei uns locht man sie erst wieder ein", zeigt sich auch der Obmann von „Asyl in Not", Robert Schlesinger, empört.

Dieses Dilemma ist auch Minister Schlögl bewußt. Im neuen Fremden-gesetz, das Anfang nächsten Jahres in Kraft tritt, seien deshalb „gelindere Mittel", wie etwa die Unterbringung in Flüchtlingsheimen bis zur Beendigung des Asylverfahrens als Alternative zur Schubhaft vorgesehen. Diese sollen, so empfiehlt Schlögl, „vermehrt zur Anwendung kommen". Für eine solche Lösung spräche auch der Rechenstift, so der Minister weiter: „Ein Tag in der Schubhaft koste rund 650 Schilling, ein Tag in Bundesbetreuung hingegen nur rund 200 Schilling."

Vorgesehen sei die Anwendung der „gelinderen Mittel" vor allem für Minderjährige beziehungsweise für Frauen mit Kindern, erläutert Brigitte Brenner, die Leiterin der Interventionsstelle im Innenministerium. Bei denjenigen, bei denen man befürchten müsse, daß sie bei einer Entlassung aus der Schubhaft einfach verschwinden, könne man aber auch in Zukunft nicht auf die Haft verzichten, betont sie.

Im Innenministerium plant man gerade die Errichtung eines neuen Schubhaftgefängnisses im Osten des Landes. Auch im Zuge von Renovierungen bestehender Gefängnisse sollen neue Plätze entstehen.

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