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Spar-Abwehr Service

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Zeiten der Verschwendung folgen Zeiten der Sparsamkeit. Wem sage ich das in Österreich? Etwa nur hier und heute? Sieben fette, sieben magere Jahre! Oder: Eine Zeit zu lachen und eine Zeit zu trauern. Jahrhunderte dazwischen, Jahrtausende seither. Bibelleser wissen Bescheid darüber, daß wir kein Sonderfall sind.

Uber die Mechanismen des Sparstifts, der wie ein Pfeil aus dem Dunkel bald dahin und bald dorthin trifft, haben wir freilich in den letzten Jahren einiges gelernt. Es gilt daher, wachsam zu sein und sich zu wappnen. Nicht immer hilft das landesübliche Schutzschild mit der Aufschrift „wohlerworbene Rechte". Eine Familienmutter zum Beispiel hat ihre Rechte nicht so wohlerworben wie ein Eisenbahner, weil ein Kinderwagen bekanntlich nicht so schwer zu steuern ist wie eine Lokomotive.

Zu der vom Militärischen übernommenen Strategie des Sparstifts gehört es, den Feind zunächst zu täuschen und dann an seiner schwächsten Stelle anzugreifen. Und da wir alle unsere schwachen und schwächsten Seiten haben, sind wir niemals sicher. Zu welcher sozialen Gruppe wir gehören mögen, ob Milchbauer, Rentner oder Schuldirektor, jedermann soll sich in Alarmbereitschaft halten.

Es genügt leider nicht, in primitiver Notwehr sogleich zu schreien „Bei uns nicht!", wenn der Sparstift droht. Vielmehr empfiehlt es sich, beizeiten die Dienste des Spar-Abwehr Service in Anspruch zu nehmen. Das kostet zwar einiges und sichert andererseits Arbeitsplätze, aber die Erfahrung lehrt mittlerweile, daß es sich lohnen kann.

Das Spar-Abwehr Service arbeitet wissenschaftlich. Aus der Fülle statistischen Datenmaterials wird zunächst herausgefiltert, daß just jene vom Spartarif bedrohte Gruppe zu den benachteiligten und ärmsten Kreisen der Bevölkerung überhaupt gehört! Der Angriff ist die beste Verteidigung! Mit der Datenfülle daher

dem Sparstift-Angriff sogleich mit einer Forderung begegnen. Nicht weniger, sondern mehr! In einer gewissen Komplizenschaft mit den Sparstift-Ansetzern gelingt es in dieser Phase manchmal, die Abwehr der Forderung der Öffentlichkeit bereits als Einsparung zu verkaufen.

Daß gute Medien-Kontakte für das Spar-Abwehr Service von entscheidender Bedeutung sind, muß nicht weiter betont werden. Das mediale Säbelrasseln entsteht nicht von selbst, es will geplant, organisiert und umgesetzt werden.

Nun wissen wir aus leidvoller österreichischer Erfahrung, daß diese Akutmaßnahmen oft nicht genügen. Dem unvorbereiteten Angegriffenen wurde vom Sparstift schon manche Niederlage bereitet.

Die nächste Aktion des Spar-Abwehr Service ist daher die Demonstration. Wichtig dabei ist, als Folge der drohenden Einsparung nicht die Betroffenen selbst, sondern eine Gruppe oder eine Wertvorstellung zu akzentuieren, mit der sich möglichst

viele Mitbürger mitleidend identifizieren. Die Einsparung von Schulbüchern zum Beispiel gefährdet die Papierproduktion und damit die Durchforstung der Wälder. Die Einsparung einer Nebenbahn erzeugt Autoverkehr und erweitert damit das Ozonloch. Jede Einsparung hat Folgen. Es gilt, die effektivsten herauszustellen. Und dann Schlagwort und Reim aufs Transparent und aufmarschiert! Nicht ohne vorher den Termin mit dem Fernsehen abzusprechen.

Selbstverständlich eignen sich für das Spar-Abwehr Service auch Versammlungen und Diskussionsveranstaltungen, bei denen die Sparstiftge-waltigen aus Demokratieverständnis oder Höflichkeit erscheinen. Sprech-Chöre, Buh-Rufe und Pfeifkonzerte der Sparstift-Bedrohten verleihen der Stimmung lebendige Willensäußerung.

Der absolute Sieg ist nicht sicher. Aber gebracht hat das, wie Insider versichern, immer noch relative Erfolge.

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