Ungeduld als Tugend

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"Was ist Ihre größte Schwäche?" Eine Frage, wie sie gerne am Ende diverser, an Promis gerichteter Fragebögen steht. Derzeit beliebteste Antwort: "Meine Ungeduld". Auch Präsidentschaftskandidatin Benita Ferrero-Waldner wollte sich (in einem Interview) diesem Modetrend nicht entziehen. Dies lässt zwei Schlüsse zu. Erstens: Ungeduld ist zur Massenseuche geworden. Zweitens: Ungeduld ist megaaffentittengeil (© Maria Rauch-Kallat).

Warum outet sich eigentlich nie jemand als grenzenlos gutmütiger Schneckentempo-Fan? Schließlich findet man die langen Nachdenkpausen Alexander Van der Bellens derzeit ja auch cool! Darüber rätselt aber selbst seine Hauspostille, die Wiener Stadtzeitung Falter, die den "seltsamen Star" kürzlich respektlos als "Weichei bei TV-Debatten" bezeichnete.

Soviel ist gewiss: Wer mehr als zehn Prozent der Wählerschaft hinter sich versammeln will, muss den Chefdynamiker geben, der zügigen Schrittes nach oben eilt. Das kann mitunter mit den übrigen Eigenschaften kollidieren, die - speziell im Wahlkampf - zum strahlenden Image zusammengefügt werden: Ferrero-Waldner als Präsidentin der Herzen, die ganz schrecklich ungeduldig wird, wenn ihr am Tag der offenen Tür das Volk seine Sorgen vorträgt? Nein, das wollen wir uns lieber nicht ausmalen, entbehrt aber nicht einer gewissen Komik.

"Eins, zwei, drei! Im Sauseschritt läuft die Zeit, wir laufen mit" dichtete schon Wilhelm Busch. Ahnte er, dass "Ungeduld" dereinst zur Tugend werden würde, mit der man sich ungestraft schmücken darf, während Langsamkeit quasi als Behinderung gilt?

Fassen wir uns also in Geduld und suchen in der Zwischenzeit nach wirklich verzeihlichen Schwächen. Zum Beispiel das Lesen von Fragebögen?

Die Autorin ist innenpolitische Redakteurin des "Standard".

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