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Kopfloser Moderator

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Vor kurzem enthielt eine Nachrichten-Meldung auf Öl zum Thema „Sparpaket" die Angabe, das Taschengeld-Minimum, das Heiminsassen bekommen müssen, sei von 1.200 Schilling auf 600 Schilling monatlich gekürzt worden, sodaß Heiminsassen „nun nicht mehr ihren Privathobbys frönen" könnten.

Wie sehen die so gedankenlos-unmenschlich benannten Bedürfnisse aus, welche von Heiminsassen via Taschengeld finanziert werden müssen?

Generell alles, was der Insasse vom Heim nicht bekommt, muß er selbst finanzieren. Zahnpasta, Haarshampoon, Seife, Hautcreme (das kann zwar unter Umständen vom Heim angeboten werden, muß dem Insassen aber nicht unbedingt zusagen/zuträglich sein), Briefmarken, die - pardon - in der Öffentlichkeit schwierig zu thematisierende Unterwäsche, die weder von der Caritas noch von einer anderen Stelle verteilt wird, Basierzeug, Strumpfhosen, eine Krawatte, ein Lippenstift, ein Packerl Waschpulver für die Handwäsche, natürlich jede private Konsumation, ob Bohnenkaffee, Fruchtsaft, Frankfurter, ein Toast, die Zigaretten erwähne ich jetzt erst, ob des verpönten „Frönens", auch Fahrtspesen gehören dazu, Hustenzuckerl und so Weiter. Sechshundert Schilling.

Und dann gibt's außerdem auch bei Heiminsassen ab und zu den Wunsch, jemanden zu beschenken, wenigstens mit einem Glückwunschbillett und/oder einem Pflänzchen.

So weit, so tragisch. Die Meldung von den „Privathobbys" der Heiminsassen ist durch. Wieviele Menschen haben sie gehört? Wieviele waren erfahren genug, um die Entwürdigung zu spüren? Wieviele haben die Bezeichnung „Privathobby" geschluckt?

In ausnahmslos alle menschlichen Beziehungen, in alle sozialen Zusammenhänge unserer Gesellschaft haben die Medien ihre Sprechorgane hineinverkabelt. Eine Zeitung kann man immerhin noch „beim Wort nehmen", das corpus delicti bleibt greifbar, über den Zeitpunkt des Erscheinens hinaus.

Beim Bundfunk kann alles gesendet werden und alles erreicht die Hörer sofort. Schneller als jede Zeitung. Und wirkt, und wirkt, und wirkt, manchmal so, daß man nur sagen kann: schauderhaft, kaum hat man es vernommen, ist's auch schon zu spät.

Die Autorin ist

freie Mitarbeiterin der FlJRCHE

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