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Mit "Armida" zeigt Salzburg eine Haydn-Oper, die trotz großer Stimmen allzu bieder klingt.

Mit dem Fällen einer Myrthe will sich der Kreuzritter Rinaldo endgültig von der Liebe zu der Zauberin Armida befreien. Quer über die Bühne der Felsenreitschule liegt schon ein riesiger Stoß von geschnittenem Holz - die traurigen Überreste von Bäumen, die wuchsen, blühten und am Ende doch gefällt und zerhackt wurden. Joseph Haydns Oper Armida wurde bei den Salzburger Festspielen gedeutet als Allegorie auf einen Abschnitt des ewigen Kreislaufs vom Werden und Vergehen der Liebe: das bittere Ende. Wo gehobelt wird, fallen eben Späne.

Christentum gegen Islam

Vor dem Hintergrund der Eroberung von Damaskus geht es in Armida ursprünglich um den Sieg der Liebe über die Pflicht. Regisseur Christof Loy ist eine Ebene höher gestiegen: Er hat die belagerten Sarazenen zu Sinnbildern von Erotik und Lebenslust, die christlichen Belagerer zu Sinnbildern von Rationalität und Disziplin gemacht und rollt vor diesem Hintergrund die zeitlose Geschichte vom Ende einer Liebe aus. In deren Mittelpunkt steht naturgemäß die schwer tätowierte, orientalische Hexe Armida, deren atemberaubende Arien Annette Dasch mit Inbrunst und vollendeter Meisterschaft zu Gehör bringt.

Die interessantere Figur aber ist Rinaldo (Michael Schade), der mit sich ringt, ob er seiner Liebe zu Armida oder seiner Pflicht gegenüber dem Vaterland den Vorzug geben soll. Die Szene im Zauberwald, in der er schlussendlich die Myrthe fällt und sich damit gegen Armida entscheidet, scheint sich überhaupt nur in seinem gequälten Kopf abzuspielen, während er wie gelähmt und schweißtriefend eine Nacht lang auf dem Sofa sitzt.

Es spricht für die stimmliche Qualität der Aufführung, dass keiner der anderen Sänger gegenüber dem Weltstar Schade abfällt; die vergleichsweise unbekannte Annette Dasch nicht und auch nicht die Interpreten der kleineren Partien: Vito Priante als brutaler König von Damaskus Idreno, Richard Croft als im Rollstuhl sitzender Kreuzfahrerfeldherr Ubaldo, Bernhard Richter als junger, leicht verführbarer Ritter Clotarco, gewissermaßen Rinaldo als Jüngling. Große Begeisterung erntete die quirlige Mojca Erdmann in der Partie der mit natürlichem Charme betörenden Zerlina.

Musikalisch bieder

Haydn hat in Armida die schematische Abfolge von Arie und Rezitativ der barocken Opera seria aufgeweicht, bedient sich der selben musikalischen Sprache wie der junge Mozart, dennoch ist das Werk in seiner Gesamtheit noch meilenweit entfernt von den Da Ponte-Opern. Dass aber Haydns größter Opernerfolg in Salzburg über weite Strecken so brav und bieder klingt wie ein anspruchslos interpretiertes Rokoko-Divertimento, liegt wohl nicht an der Komposition, sondern an Dirigent Ivor Bolton. Bei den Haydn-Festspielen in Eisenstadt hat Armida schon aufregender geklungen. Allein im dritten Akt, der fast so etwas wie durchkomponiert ist, gelingt es dem von Bolton geleiteten Mozarteum Orchester Salzburg, aus Haydns Noten eine ganz eigene, packende Musik zu kreieren, die ins 19. Jahrhundert hineinweist und jeden Vergleich mit Mozart vergessen macht.

Fade Geschlechterkämpfe

Dass die Bühnenmusik aus einem der heute in Militärlagern üblichen Lautsprechern tönt, ergibt einen erfrischenden Verfremdungseffekt. Weniger erquickend sind die oft in Zeitlupe stattfindenden Geschlechterkämpfe im Statistenheer. Deren ermüdende Statik zusammen mit der anfänglichen orchestralen Fadesse machen Armida bis zur Pause zu einem mühsamen Opernabend. Doch wenn dann im dritten Akt die Musik entfesselt wird und sich im Zauberwald die himmlisch leuchtenden Arkaden der Felsenreitschule öffnen (Bühne: Dirk Becker), wird das Publikum für seine Geduld belohnt.

Michael Kraßnitzer

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