Auf dem Weg der Selbsterkenntnis

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Buchtipp von FURCHE, Stube und Institut für Jugendliteratur

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Es war einmal ein Juckreiz. ... Etwas später, etwa Viertel nach Es war einmal, sah der Juckreiz einen Baum und begann sich daran zu kratzen." Und nach noch etwa einem Viertel steht da, wo vor dem Juckreiz nichts war, ein Bär mit viel Wald drumherum und einer Notiz in der Tasche, die ihm lapidar aber doch hinreichend Hinweise auf seine Existenz gibt: "1. Ich bin ein sehr netter Bär. 2. Ich bin ein glücklicher Bär. 3. Außerdem sehr hübsch." Um herauszufinden, ob er tatsächlich der ist, von dem hier die Rede ist, macht sich der Bär auf den Weg. Während des Gehens und im Gespräch mit Fremden kommen dem Bären schöne Gedanken: Über die Freundschaft etwa - "Neue Freundschaften zu schließen war gut, aber alte Freundschaften zu schließen war viel besser" - oder über das Wesen von 38 Blumen: "Blumen sind schöner, als sie 38 sind."

Originalität und hoher Unterhaltungswert

Sprachlich gewitzt, hintersinnig und in pointierten Dialogen erzählt der israelische Dramatiker und Musiker Oren Lavie von einem Bären auf dem Weg der Selbsterkenntnis und gewinnt diesem ausgetretenen Pfad Originalität und hohen Unterhaltungswert ab.

Wie viel vom Charakter des Textes dem Übersetzer Harry Rowohlt zuzuschreiben ist, lässt sich in Unkenntnis des Originals schwer sagen. Auszugehen ist aber davon, dass Lavies Erzählhaltung und -ton dem deutschen Brummbären irgendwie entsprechen. Kein Wunder, dass man in dem namenlosen Bären dieser Geschichte einen nahen Verwandten von Winnie-the-Pooh zu erkennen glaubt, dessen deutsche Stimme Rowohlt ja geradezu verkörpert. Mit Wolf Erlbruch hat dieses familientaugliche Buch einen Illustrator, der schon einige gewichtige Bären in die Bilderbuchwelt gesetzt hat. Auch diesmal gelingt ihm ein Prachtexemplar: ein großes zottelig schwarzes Tier mit bisweilen blauen, roten oder gelben Felleinschüssen und einem Maul, das von der Schnauze bis fast zum Ohr rot leuchtet und immer klar macht: Mir kann keiner was. Den Wald, durch den der Wuppertaler Altmeister Erlbruch ihn schickt, ist gedruckt und gemalt, in Schichten übereinandergelegt und so vielfältig grün. Eine Wildnis, aber ungefährlich, die sich da und dort lichtet und sogar einmal ganz in Rosarot getaucht wird, weil dem Bären so blumig zumute ist. Kein Wunder also, dass der am Ende zu sich und nach Hause findet. Und es einen gar nicht juckt, dass jener Reiz, der am Anfang war und verantwortlich für diese umwerfende Geschichte, sang- und klanglos aus ihr verschwunden ist.

Der Bär, der nicht da war

Von Oren Lavie, übersetzt von Harry Rowohlt, illustriert von Wolf Erlbruch, Verlag Antje Kunstmann 2014.

48 S., geb., € 17,50.

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