Bejubelte Sänger zur Hässlichkeit gezwungen

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Verdis "Nabucco" besticht an der Grazer Oper durch gediegene Sängerleistungen, Jörg Koßdorff scheitert jedoch an seinem Regiedebüt.

Die Völker und ihre Verführer, der König der Assyrer und der Hohepriester der Juden, überleben. Die Idealisten Fenena und Ismaele werden Opfer. So schreibt die Grazer Oper Verdis "Nabucco" um.

Jörg Koßdorff, langjähriger technischer Direktor, eigenwilliger Bühnenbildner und nun, in seinem siebzigsten Lebensjahr, nicht nur erfolgreicher Intendant der Grazer Oper, hat sich als Einspringer ein Debüt als Regisseur aufgebürdet, bei dem er scheitern muss. Als sein Mittäter mit ausgebuht wird Ausstatter Herbert Kapplmüller. Denn der Linzer entstellt alle Mitwirkenden mit Fundus-Kostümen und seltsamen Frisuren zur Perchten-Parade.

Ouvertüre erst zum dritten Akt

Ein schwarzer Brecht-Vorhang fällt, während die Ouvertüre der Oper von 1842 nicht gespielt wird (die kommt erst als Vorspiel zum dritten Akt, wo Verdi sie sicher nicht haben wollte). Ein Raketeneinschlag über einem Luftschutzbunker, der dem Libretto gemäß freilich den Tempel Salomos darstellen soll. Eine Glocke - im Tempel? - stürzt lärmend ab. Im Hintergrund wuselt aufgeregtes Volk, alle in unansehnlichen Kaftanen und an UNO-Blauhelme erinnernden Kippas. Der siegreiche Nabucco erscheint mit einer Art Husaren-Banda, entstellender Stirn-Goldmaske und modischen Sonnenbrillen. Waffen trägt er keine. Später lässt er Flammen aus seiner von Abigaille usurpierten Krone züngeln.

Seltsamerweise ist das gesamte Orchester in gut vier Meter Höhe auf die Hinterbühne verbannt. Diesen Gag kennt man zwar schon aus einer einstigen Grazer "Zirkusprinzessin", aber vielleicht ist ja Abigaille eine ebensolche …

Jedenfalls schafft Opernchef Johannes Fritzsch es, mit dem Rücken zum Bühnengeschehen, seine sehr animierten (elektronisch verstärkten?) Philharmoniker, seine authentische Sängerbesetzung und die von Bernhard Schneider akkurat vorbereiteten Chormassen ohne Betriebsunfälle wirkungsvoll von den Gihon-Quellen an den Euphrat zu führen.

Eindrucksvolle Darbietungen

Mark Rucker, der US-Bariton, der in Graz schon als Giorgio Germont und Renato seine nur selten forcierte Belcanto-Stimme im Verdi- Fach gediegen ins Treffen führte, berührt im Zusammenbruch und in der großen "Preghiera" des Nabucco. Nicht weniger eindrucksvoll hievt die Moskauer Sopranistin Mlada Khudoley die bösen Intrigen der Abigaille über alle technischen Klippen und berührt in ihrem (leider verinszenierten, kaum merklichen) Tod. Bravo-Chöre bejubeln den jungen slowakischen Bassisten Stefan Kocán (der als einziger für alle Vorstellungen, in denen es Alternativbesetzungen geben wird, angekündigt ist) als Hohepriester Zaccaria, dem sicher noch tiefenfundierte Statur zuwachsen wird. Vom Kostümbildner zu arger Hässlichkeit gezwungen, besticht die Prager Mezzosopranistin Katerina Jalovcová als Fenena durch üppige Verdi- Kantilenen bis in den von Verdi nicht komponierten Tod. Tenor Taylan Memioglu kämpft als Ismaele mit der geforderten Verdi-Attacke und unterliegt.

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