Bloß schlichte Provokation

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Es war also nur Kunst. Jonathan Meese ist vom Vorwurf der Wiederbetätigung freigesprochen worden. Vor Gericht gebracht hatte ihn der Hitlergruß. Eigentlich scheint die Anklage absurd. Die verbotene Geste wurde von einem Künstler bei einer Kunstveranstaltung auf der Bühne eingesetzt. Mit gleicher Argumentation - "den Hitlergruß wieder salonfähig zu machen“ - könnte die Staatsanwaltschaft Nazi-Darstellern den Prozess machen lassen, am besten gleich Christoph Waltz für seine Paraderolle als Supernazi.

Die Richterin entschied, Meese habe die eindeutige Armbewegung im Spott getan, und am Ende waren alle erleichtert, dass die Freiheit der Kunst unangetastet blieb. Schön und gut. Aber warum nur gelingt es diesem Künstler, mit derart schlichter Provokation nicht nur unangenehm aufzufallen, sondern vielmehr den Rang eines Kunst-Stars einzunehmen? Für ein Skandälchen ist Meese freilich immer gut und daher auf dem Markt der Aufmerksamkeit wohlgelitten. Aber ist sein Werk ein berührender, anregender, wirklich widerspenstiger und herausfordernder Beitrag zur aktuellen Kunst und zur Vergangenheitsbewältigung?

Seine Apologeten rühmen Meese für die unerschrockene Auseinandersetzung mit Helden und Symbolen der deutschen Mythologie und Zeitgeschichte. Das Thema kennen wir seit Jahrzehnten von Anselm Kiefer. Während Kiefer seine Referenzen aber noch aus gemeinsamer Allgemeinbildung bezieht, sind Meeses überladene Bilder mit ihren Namen und Symbolen kaum entschlüsselbar. Während Kiefer seine Arbeit in einer Zeit begonnen hat, in der die Deutschen ihre Vergangenheit erst zu "bewältigen“ hatten, gibt die deutsche Aktualität - siehe NSU-Mordserie - ganz andere virulente Themen vor. Jonathan Meeses wirre Kunst zielt an der Gegenwart vorbei, und man sollte sie ins Leere laufen lassen.

Die Autorin ist Direktorin des Kunstmuseums Lentos in Linz

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