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Racines "Phädra" mit feinen Tönen am Wiener Volkstheater.

Das Volkstheater leitet wie jeden Herbst die Spielzeit mit einem Stück ein, dessen Protagonistin eine Frau ist. Nach Sarah Kanes "Phaidras Liebe"im letzten Jahr folgt nun Jean Racines "Phädra", eine der vielen Bearbeitungen eines Stoffes, den Euripides erstmals 428 v. Chr. dramatisiert hat - damit setzt das Volkstheater die Vorstellungen großer Tragödinnen der griechischen Antike fort.

Es ist die leidenschaftliche, verbotene Liebe der Protagonistin zu ihrem Stiefsohn Hippolytos, die den tragischen Konflikt auslöst, der über emotionale Verwirrungen und Nöte auch den gesellschaftspolitischen Kontext mitreflektiert.

Racine erzählt seine "Phädra" vor dem historischen Hintergrund des höfischen Absolutismus, wo nicht allein ausweglose Konflikte die Personen handlungsunfähig machen, sondern realpolitische Zustände und gesellschaftliche Hierarchien, die Begriffe und Tugenden wie Ehre und Stolz in den auseinanderklaffenden sozialen Ordnungen zum obersten Gesetz werden lassen.

In der Inszenierung von Beverly Blankenship verweisen die die 1950er Jahre zitierenden Kostüme von Susanne Hubrich - mit einer etwas zu platten Akzentuierung der Funktion der jeweiligen Figur - auf die sozialen Diskrepanzen, die Herrschenden sind durchwegs in weiß gewandet, die Dienerschaft schwarz, die permanente Anwesenheit aller Personen steht gleichsam für die Repräsentanz des Volkes, der Gesellschaft, die die Regel- und Wertesysteme bestimmt. Das Bühnenbild von John Lloyd Davies ist auf einen im Zentrum etablierten Krater - Sinnbild der "brennenden Herzen", wie es in der gelungenen, unpathetischen Übersetzung von Simon Werle heißt -, einige Stühle und eine Meereskulisse reduziert; die Lichtregie kündigt vor dieser Folie nicht nur den sich zuspitzenden Konflikt und das unheilvolle Ende an, sondern schafft in jenen heiklen Momenten, beispielsweise wenn Phädra dem Stiefsohn ihre Liebe offenbart, durch Zwielicht jene Atmosphäre der Spannung und besonderen Gefahr.

Die brillante Andrea Jonasson in der Titelrolle zeigt diese brüchige Heroin in großer innerer Not, an ihrer Seite Vera Borek als loyale Dienerin Önone, ihre einzige Vertrauensperson, deren Beziehung sich wiederum durch gleichzeitige räumliche Nähe und soziale Ferne auszeichnet. Christoph von Friedl als Hippolytos gelingen im Rahmen der großen Gefühlsausbrüche die feinen Töne ebenso wie Anna Franziska Srna, die die von ihm geliebte Arikia darstellt, während Thomas Evertz als König Theseus auf dem glatten Boden des Versmaßes bisweilen ins allzu Deklamatorische fällt.

Beverly Blankenship, die mitunter eigenwillig und unmotiviert aktualisiert (mit dem Einsatz eines Laptops trotz der 1950er-Jahre-Szenerie), präsentiert insgesamt eine sehr stimmige Eröffnungsproduktion, indem sie zwischen den heftigen und schwierig darstellbaren Leidenschaften das Ritual der Etikette mitsamt seinem strengen Ehrenkodex in Frage stellt und das Toben unter der Fassade zeigt.

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