Das Geheimnis der süßen Rezepte

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Lebzelter und Wachszieher haben eine lange Tradition. Noch heute hüten sie sich, ihre Rezepturen preiszugeben.

Es duftet nach Zimt, Nelken, Koriander und Bienenhonig. Kerzen in vielfältigen Formen stehen aufgereiht, an den Wänden hängen Wachsmodeln mit weihnachtlichen Motiven und von den Stellagen locken Lebkuchen mit Nüssen, Früchten, Zuckerguss und Schokolade überzogen. Da fällt die Wahl schwer, was man nehmen soll. Eines aber ist gewiss: Beim Lebzelter gibt es Weihnachtliches, das schon unsere Urgroßmutter erfreute. Denn diese Zunft (heute Gewerbe genannt) besteht seit vielen hundert Jahren. Schon anno 1470 brachte in Nürnberg ein Lebzelter seine "Martzepan-Küchelein" unter die Leute. Wachszieher gossen um diese Zeit ihre Kerzen aus Unschlitt, reinem Talg, dessen flackernder Schein unseren Vorfahren die düsteren Nächte erhellte.

Noch vor 100 Jahren verfügte jeder Lebzelter und Wachszieher über seine eigenen holzgeschnitzten Modeln. Er musste also wahrhaft künstlerische Fähigkeiten haben, um all die Kerzen, die buntverzierten Lebzelten, die Marzipanporten und Weihnachtsfiguren immer wieder neu zu entwerfen, ihnen vielerlei Gestalt zu geben.

Heute kann man solche Modeln kaufen. Das erspart dem modernen Wachszieher viel Zeit. Mit einem speziellen Modellierwachs nimmt er Abdrücke der Modeln, die dann auf Kerzen geklebt werden. Zum Bemalen bedarf es eines feinen Pinsels und einer geschickten Hand. Aber nicht nur Kerzen fertigt der Wachszieher, sondern auch reizende andere Gebilde. Da gibt es reichbemalte Herzen, kleine Schäferszenen, runde Stadtwappen oder Reliefs mit Schlössern, Türmen und Bauten.

In einer alten Innungsverordnung aus dem Jahre 1670 ist festgelegt, dass "denen Lebzeltern bei Straf befehliget werde, Geheimnuß zu bewahren über jene Quantitäten und Zutat, aus welcher zu bachen Printen, Plätzen, Lebkuchen, Marztepan oder andere Küchelein ..."

Auch heute noch hüten sich Lebzelter und Wachszieher, ihre süßen Rezepte preiszugeben. Sie verraten nur, dass eine gewisse Art Mehl, echter Bienenhonig und Gewürze vermengt werden. "Honigteig muss vier bis fünf Monate ruhig liegen, ehe er verarbeitet wird", berichtet ein Salzburger Wachszieher, in dessen Backstube Lebkuchen-Spezialitäten "aus Großvaters Aufzeichnungen" hergestellt werden. Seine besondere Leckerei: Lebkuchenherzen, die mit Zuckerfarbe künstlerisch verziert werden. "Meine Frau ist geprüfte Lebzelterin", berichtet ein anderer, "bei uns gibt es keinen Printen, keinen Lebkuchen, der nicht mit der Hand geformt, verziert, mit Zuckerguss überzogen wird." Von maschineller Herstellung wollen die meisten Lebzelter auch heute nichts wissen. Allzu stark haftet ihnen die Verbundenheit zu ihrem fast künstlerischen Gewerbe an, das sie zu "Baumeistern" im süßen Bereich werden lässt.

Wachszieher legen auch heute noch ihren Stolz hinein, ihre Kerzenmodeln selbst zu entwerfen. "Wir machen Zeichnungen alter liturgischer Motive", erzählt ein Wachszieher, der das Geschäft in der Salzburger Innenstadt vom Großvater seiner Frau übernahm. "Nach dem Entwurf wird mit Modellierwachs das Motiv nachgebildet. Dann kommt der erste Gipsabguss. Er wird feiner ausgearbeitet. Es folgt der zweite Abdruck in Gips. Und dieser ergibt dann die endgültige Form des Motives."

Allgemein wird bedauert, dass die Holz- oder Plastikform heute mehr und mehr die schöpferische Gestaltung verdrängt. Dabei ist die Lehrzeit für Wachszieher und Lebzelter lang: vier Jahre muss der künftige Meister lernen.

Die Mandel-Lebzelten, deren Geheimrezept wir hier wiedergeben, stammen aus dem "Saltzburgischen Hofkochbuch von 1719": Zerklopffe zwey Eyerklar, gieß ein wenig Rosenwasser zu, rühr gestossenen Zucker darein, mach es wie ein lehnes Koch, nimm alsdann grob gestossenen Mandel, rührs sammt zwey Handvoll Nürnberger Lebzelten darein, Zimmet und kleingeschnittne übersottne Lemoni-Schaalen, Zucker, daß es genug ist, streichs Fingersdick auf ein Dorten-Blättlein, überstreichs mit Rosenwasser, bestreus mit Zucker, so wirds wie ein Eyß, bachs alsdann im Ofen oder Dorten-Pfann, schneids hernach Stückweiss wie einen Mandel-Schmarren, laß gar backen, und kalt werden, so ist es recht.

Vielleicht lagen sie ja unter dem Weihnachtstisch des kleinen Wolfgang Amadeus Mozart.

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