Das typische Schicksal eines vom Glück Vergessenen

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Am Akademietheater inszeniert der 31-jährige Regiestar David Bösch Dea Lohers Drama „Geist Adam“. Dabei ist das Stück phasenweise schwach und nicht mehr up to date.

Als dritte Premiere im Eröffnungsreigen der Hartmannschen Burg war erstmals in Wien eine Inszenierung des 31-jährigen deutschen Regiestars David Bösch zu sehen. Bösch, bekannt für emotionales, sinnliches Theater, konnte seinen direkten-spielerischen Zugang anhand von Dea Lohers (geb. 1964 in Traunstein) Entwicklungsdrama „Adam Geist“ nun im Akademietheater unter Beweis stellen. Dabei ist das 1998 entstandene Stück phasenweise schwach und nicht mehr up to date.

Die Titelfigur Adam – bei Loher nicht der erste Mensch, sondern der „letzte“ – durchlebt das typische Schicksal eines vom Glück Vergessenen. Da ist kein Vater, die schizophrene Mutter stirbt früh an Krebs und auch Klempner Huber, bei dem er eine Lehre macht, dient nicht als Vorbild. Am Grab seiner Mutter sucht Adam Trost und begegnet allerlei ungewöhnlichen Gestalten: so etwa einem Junkie, einem koketten Mädchen, ebenfalls verwaist, das Adam im Affekt ersticht, dem Bleichgesicht-Indianer Karl Oberreitmeier, einer Skinhead-Jungmutter mit Säugling im Tragetuch usw. Adam wird nach dem Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt Fremdenlegionär, rettet im Krieg einen alten Mann und dessen Enkel und gerät am Ende wieder dorthin, wo seine Suche begann: ans Grab der Mutter.

Böschs Kostüm- und Bühnenbildner Patrick Bannwart hat entsprechend Adams Selbstreflexion – „Das Rad dreht sich“ – die Bühne als Friedhofsrondeau gebaut, um das Planeten und Kritzelzeichnungen als Halbkreis angeordnet sind. Alles, was sich nicht konkret darstellen lässt, wird als Cartoon abgebildet, etwa Adams Vergangenheit mit einer lieblosen Tante und lästigen Cousins, die keinesfalls so etwas wie Heimat bieten. Später kommen erfolgreiche Einsätze als Feuerwehrmann und verzweifelte Suizidphantasien dazu. Bösch schöpft nicht nur aus medialem Bildervorrat, sondern nimmt Lohers Text auch beim Wort und kippt diese tragische Geschichte ins Komische. Er wendet sie kaleidoskopartig einmal in die eine, dann wieder in die andere Richtung.

Mit „Adam Geist“ stellt sich aber nicht nur ein Regisseur vor, sondern vor allem auch ein bemerkenswerter Zugang im Schauspiel: Die 27-jährige Sarah Viktoria Frick überzeugt in allen Rollen; zuerst als Adam (bis Sven Dolinski in die Rolle schlüpft), dann als komisch-trotziges Mädchen, das später als tollpatschiger Engel über die Bühne stolpert und trotz Flügel nicht fliegen kann, und später als Neonazi, der die Migrationspolitik der Bundesregierung hinterfragt. Auch Energiebündel André Meyer als Junkie und später Fremdenlegionär Erich beeindruckt als neues Ensemblemitglied. Daneben sorgt Johannes Krisch als wehleidiger, wienerischer Indianer, als gewalttätiger Legionär sowie Alt-Nazi Jörg Reinberger für ein manchmal allzu outriertes Spiel, das Sven Dolinskis Adam als geradezu engelhafter Charakter ohne Harm konterkariert. „Kein Engel, aber auch kein Killer“, sagt Bannwarts Abspann-Gekritzel über ihn. Dazwischen liegen zwei Stunden starke Emotion und Pathos, wovor sich Bösch keineswegs fürchtet. Au contraire: denn der Entäußerungsphantasie des Protagonisten steht die Entäußerungswut des Regisseurs zur Seite. Und manchmal darf es auch ein wenig stiller werden, wenn Sarah Viktoria Frick bei „Somewhere over the rainbow“ vergeblich zum Flug ansetzt.

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